© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/18 / 26. Oktober 2018

Ungebremster Börsengang
„Made in Germany“: Knorr-Bremse emittiert Aktien und macht 3,9 Milliarden Gewinn / Gutes Omen für weitere Erstplazierungen deutscher Unternehmen
Carsten Müller

Anleger und Analysten lassen sich gern von hochfliegenden Wachstumsplänen begeistern. Doch wenn der Wind an der Börse rauher wird, können oft „langweilige“, dafür aber solide Unternehmen auftrumpfen. Das gilt auch bei Neuemissionen, wie der Börsengang von Knorr-Bremse gezeigt hat.

Das inzwischen 113 Jahre alte Unternehmen hat den erfolgreichen Schlußpunkt unter ein sehr intensives Börsengang-Jahr in Deutschland gesetzt. Was beachtlich ist, angesichts der schlechten Stimmung und den turbulenter Kursentwicklungen in den letzten Wochen. Doch mit einer klaren Investment-Geschichte und soliden Zahlen konnte Knorr-Bremse vor allem langfristig orientierte Investoren überzeugen, was sich letztlich auf den sogenannten Plazierungspreis niederschlug.

Trotz Knorr-Bremses hohem Alter, waren es erst die letzten 30 Jahre, die aus dem Unternehmen das gemacht haben, was es heute ist – den Weltmarktführer für Bremssysteme sowohl bei Schienen- als auch Nutzfahrzeugen. Der Erfolg ist damit vor allem mit einem Namen verbunden – Heinz Hermann Thiele. Der heute 77jährige hatte seine persönliche Karriere im Unternehmen als Sachbearbeiter begonnen und 1985 die Mehrheit erworben. Er war es, der das Unternehmen neu aufstellte und auf Bremssysteme spezialisierte. Dazu gehörten seit den neunziger Jahren auch 16 Übernahmen und Joint Ventures. Andere Teilbereiche wie die Dieselmotor-Produktion, Werkzeugmaschinenbau und Stahlguß wurden verkauft und lieferten dadurch einen Teil der nötigen Liquidität zur Expansion.

Nachhaltiges Wachstum – dieses Credo familiengeführter Unternehmen hat Thiele auch bei Knorr-Bremse implementieren können. Inzwischen ist er nur noch Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrates, hatte aber die entsprechenden Weichen gestellt, und das heutige Management scheint fähig.

Die Zahlen sind überzeugend. In den vergangenen vier Jahren erreichte das Unternehmen eine Umsatzsteigerung von rund 44 Prozent und einen Gewinnanstieg um 58 Prozent. Kein Wunder also, daß der Börsengang von Knorr-Bremse auf so starkes Interesse stieß. Mit der Folge, daß das Münchner Unternehmen mit einem Plazierungspreis von 80 Euro je Aktie trotz der Turbulenzen ein starkes Ergebnis erreichen konnte.

Etwa 30 Prozent des Unternehmens wurden an die Börse gebracht. Mit einem Plazierungserlös von rund 3,9 Milliarden Euro und einer aktuellen Marktkapitalisierung von über 13 Milliarden Euro wurde Knorr-Bremse damit nicht nur zum zweitgrößten deutschen Börsenneuling dieses Jahres hinter Siemens Healthineers. Vielmehr dürfte das Unternehmen damit zum aussichtsreichsten Kandidaten für die Aufnahme in den MDAX werden. Allerdings gibt es einen Wermutstropfen. Denn der Plazierungserlös wandert komplett in die Tasche des Firmenpatriarchen beziehungsweise seiner Tochter. Aber das scheint die Anleger kaum zu kümmern. Schließlich hat das Unternehmen in der Vergangenheit gezeigt, daß man sehr gut aus eigener Kraft expandieren kann. Zumal es faktisch schuldenfrei ist.

Mit dem gelungenen Marktauftritt dürfte Knorr-Bremse anderen Börsenaspiranten Mut gemacht haben. Zwar hatte sich in den vergangenen Monaten gezeigt, daß das Neuemissions-Geschäft komplizierter geworden ist. Davon zeugten unter anderem Börsengang-Absagen durch den Anlagenbauer Exyte oder der schwache Einstieg von Aston Martin. Daß solide Geschäftszahlen mit entsprechenden Wachstumsaussichten dennoch auch in schwierigen Börsenlagen gefragt sind, könnte ein gutes Omen für Börsengänge im nächsten Jahr sein. Dazu zählen VW mit der Lkw-Tochter Traton, Continental mit der Sparte Antriebstechnik und natürlich die beiden Thyssenkrupp-Unternehmen, die aus der angekündigten Aufspaltung entstehen.