© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/18 / 26. Oktober 2018

Dorn im Auge
Christian Dorn

Anspielungsreich – das scheint das wirksamste Mittel zu sein, um gegen das gegenwärtige Reich der Mitte zu bestehen. Zum Empfang Taiwans, anläßlich des 107. Jahrestages der Gründung der Republik China, zündet Jhy-Weih Shieh, Repräsentant Taiwans in Deutschland, erneut ein höchst intelligentes etymologisches Feuerwerk, einleitend mit dem Hinweis auf die Länge seiner Rede, für die er sich am Namen des österreichischen Kanzlers orientiert habe. Die Isolationspolitik der VR China resümiert Germanist Shieh mit dem Satz: „Manchmal ist aus dem Abenteuer ein teurer Abend geworden“, werde er selbst doch oftmals nach erfolgter Einladung auf Druck Pekings wieder ausgeladen. Während Taiwan ein „Rechtsstaat“ sei, stehe die VR China für „Staatsrecht“. Entsprechend verweise die Feier dieses Geburtstages an die einer jeden Geburt vorausgehende Entbindung, wie damals die Zerschneidung der Nabelschnur des Kaisertums. Die Gefangenschaft Taiwans im imperialistischen Hegemonialanspruch Rot-Chinas läßt Shieh an Rilkes Gedicht „Der Panther“ denken, erinnere dessen gespannte Kraft doch an Taiwan. Denn dieses – so Shiehs Fazit – „ist kein Teil von China, es ist das Urteil von China.“


Diese Gabe von Taiwans Repräsentanten, „denkend danken, dankend denken“ zu können (so Shieh über seine Rede), läßt Freidemokrat Hermann Otto Solms schwärmen: „Ich wünschte, wir könnten das auch!“ Taiwan sei eines der wenigen Länder der Welt, das es geschafft habe, aus einer Diktatur zu einer Demokratie wechselnder Mehrheiten zu werden, und ergänzt salomonisch: „Wenn Wechsel zu lange nicht stattfinden, dann gibt es Situationen – die kennen wir ja auch in Deutschland.“

 

Zurück zum Café im Sowjet-sektor, treffe ich wieder auf den Künstler und Grimme-Preisträger der Serie „Babylon Berlin“, der mir die irreversible Zuwanderung nach Deutschland unter Verweis auf seinen rechten Unterschenkel demonstriert: „Das ist schon so ein Teil von uns, den können wir nicht mehr amputieren.“ Aber natürlich sehe auch er Probleme, sein langjähriger Freund sei aus der CDU ausgetreten und konfrontiere ihn nun „mit all den Sachen, von denen ich nichts hören will“. Ganz anders das überfüllte Literaturhaus in der Fasanenstraße, wo Florian Illies seine Zeitreise „1913 – Was ich unbedingt noch erzählen wollte“ vorstellt. Vor der ahistorischen Moderatorin soll er sich am Schluß für seinen „männlichen Blick“ rechtfertigen, denn (so deren Vorwurf) „man muß schon eine Femme fatale sein, um in dieses Buch zu kommen“.