© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/18 / 02. November 2018

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Geschlossene Gesellschaft
Paul Rosen

Veränderungen werden oft an Kleinigkeiten sichtbar. So ist seit einigen Wochen über dem Eingang zum Haus der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft (DPG), dem ehemaligen Reichstagspräsidentenpalais an der Ostseite des Reichstagsgebäudes, eine Fahne mit dem Wappen der DPG zu sehen – nicht flatternd, sondern starr wie einst die Feldzeichen, hinter denen sich die Kämpfer versammelten. 

Dabei war die 1951 in Bonn gegründete Gesellschaft nie eine Kampforganisation, sondern nach dem Vorbild britischer Clubs ein vertraulicher Treffpunkt für Abgeordnete. Parteienstreit blieb vor der Tür. Als es im Bonn der früheren siebziger Jahre wegen der Deutschlandpolitik besonders hoch herging, notierte der langjährige Politik-Chronist Helmut Herles über die erste Frau an der Spitze der DPG, die SPD-Abgeordnete Hedwig Meermann, sie habe es mit Charme und Diskretion geschafft, „Feindseligkeiten zu überwinden“. Herles berichtet, die inzwischen 1.800 Mitglieder (aktive und ehemalige Abgeordnete) zählende Gesellschaft stehe für eine „Kultur des Miteinandersprechens“ und vermerkt stolz, „daß nach der Einbindung der zuerst ziemlich unparlamentarisch auftretenden Grünen unterdessen auch ‘Die Linke’ im Berliner Club angekommen ist“. 

Dafür spricht die Zusammensetzung des Vorstandes. Traditionell stellt die stärkste Fraktion des Bundestages den Präsidenten. Zur Zeit ist das Michaela Noll (CDU). Im Vorstand sind unter anderem neben Claudia Roth (Grüne) auch Dietmar Bartsch (Linke) und Petra Pau (Linke). Vorstandsmitglied Edgar Franke (SPD) lobt: „Die Parlamentarische Gesellschaft repräsentiert den gelebten überparteilichen Grundkonsens der Demokraten.“ 

Diesen „Grundkonsens der Demokraten“ wollen etliche Mitglieder aus den alten Bundestagsparteien anders definieren und auch mit der DPG „gegen Rechts“ kämpfen. Mit einer Satzungsänderung sollen AfD-Abgeordnete entweder erst gar nicht aufgenommen oder ausgeschlossen werden. Nach der Änderung würde die DPG „jede Benachteiligung oder Bevorzugung von Personen aufgrund von Geschlecht, Rasse, Ethnie oder Religion“ ablehnen. Das soll angeblich reichen, um AfD-Politiker aus dem von den Abgeordneten stark genutzten DPG-Restaurant und einer noch stärker frequentierten Kellerbar, wo hoch subventioniert gegessen und getrunken wird, fernzuhalten. 

Ein Ausschluß eines Teils der deutschen Parlamentarier würde die kostenlose Überlassung des Palais samt Inventar durch den Bund aber ebenso in Frage stellen wie den Zuschuß aus dem Bundestagshaushalt in Höhe von jährlich 1,629 Millionen Euro, der im Haushalt so begründet wird: „Aufgabe der DPG e.V. ist die Pflege menschlicher, sachlicher und politischer Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Parlamente des Bundes, der Länder und der europäischen Institutionen.“ Sollte aus der DPG künftig ein Club von nur bestimmten Abgeordneten werden, wäre der Förderzweck entfallen und der Zuschuß müßte gestrichen werden.