© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/18 / 02. November 2018

Referendum über Trump
Zwischenwahlen in den USA: Die Republikaner versuchen ihre Mehrheit in beiden Kammern zu verteidigen
Thorsten Brückner

Selten dürfte eine Zwischenwahl in den Vereinigten Staaten ein vergleichbar großes internationales Interesse hervorgerufen haben. Das liegt vor allem daran, daß Zwischenwahlen als Referendum über den amtierenden Präsidenten wahrgenommen werden. Und der heißt nun mal Donald Trump und war in den vergangenen zwei Jahren die Hauptzielscheibe der Demokraten. In 18 der vergangenen 20 Zwischenwahlen verlor die Partei des Präsidenten Sitze im Repräsentantenhaus – im Durchschnitt 29. Das Meinungsforschungsinstitut Gallup legte auf diese für Trump und die Republikaner ohnehin schon alarmierenden Zahlen nochmal eine Statistik drauf. Die Partei von Präsidenten, deren Beliebtheitswerte zum Zeitpunkt der Zwischenwahlen unter 50 Prozent lag, verlor sogar durchschnittlich 37 Sitze.

Der Senat wird republikanisch bleiben

 Allerdings sind diese Zahlen nur begrenzt aussagekräftig. Schon im Herbst 2016 waren die Beliebtheitswerte des damaligen Kandidaten Trump katastrophal. Der Ausgang ist bekannt. Die letzten beiden Male konnte die Partei eines amtierenden Präsidenten übrigens 1998 und 2002 Sitze hinzugewinnen. Dies allerdings unter jeweils besonderen Voraussetzungen. 1998 flogen wegen des anstehenden Amtsenthebungsverfahrens Präsident Bill Clinton die Sympathien nur so zu. Die Zwischenwahlen 2002 fanden noch im Schatten der Anschläge des 11. September 2011 und der Afghanistan-Intervention statt. Für ein drittes Beispiel muß man dann schon ein paar Jahre weiter zurückgehen. Zuvor war es der Parei des Präsidenten zuletzt 1934 gelungen, die Zwischenwahlen ohne Verluste zu überstehen. 

Derzeit verfügen die Republikaner im „House“ über eine Mehrheit von 17 Sitzen. Gut möglich, daß am Mittwoch nach der Wahl noch völlig unklar sein wird, wer in den kommenden zwei Jahren das Repräsentantenhaus kontrolliert. Die Demokraten haben bereits angekündigt, im Falle einer Mehrheit weitere Untersuchungen gegen den eben vom Senat bestätigten Richter am Obersten Gerichtshof, Brett Kavanaugh, einzuleiten, dem eine Psychologieprofessorin versuchte Vergewaltigung vorgeworfen hatte (Jf 42/18). Auch die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Trump steht im Raum, sollten die Wähler die Demokraten mit einer soliden Mehrheit ausstatten. 

Eine solche braucht auch Nancy Pelosi, um nach ihrer Abwahl 2010 erneut Sprecherin der Kammer zu werden. Zahlreiche Demokraten haben bereits angekündigt, der mittlerweile 78 Jahre alten Kalifornierin diesmal die Gefolgschaft zu verweigern. Fest steht auf jeden Fall bereits jetzt, daß das Repräsentantenhaus nach der Wahl einen neuen „Speaker“ bekommen wird. Im April hatte der erst 48 Jahre alte Paul Ryan angekündigt, nicht erneut für das dritthöchste Amt im Staat zu kandidieren, und seinen Abschied aus dem Kongreß erklärt. Trump würde der Verlust des Repräsentantenhauses schwer treffen. Gerade angesichts der Obstruktionshaltung der Demokraten dürfte es ihm schwerfallen, mit einem teilweise demokratischen Kongreß seine Agenda durchzusetzen. Nicht umsonst befindet er sich seit Wochen mehr im Wahlkampf- als im Regier-Modus. 

Deutlich besser läßt sich der Ausgang bei den zeitgleich am 6. November stattfindenden Senatswahlen prognostizieren. Trotz der derzeit knappen Mehrheit von 51 zu 49 Stimmen für die Republikaner ist kaum ein Szenario denkbar, bei dem die Demokraten ihre 2014 verlorene Mehrheit im Senat zurückholen. Der für sie bestmögliche Ausgang ist ein Unentschieden und damit fünfzig Sitze. In diesem Fall hätte allerdings der Präsident des Senats, Vizepräsident Mike Pence, das entscheidende Votum. Mitch McConnell dürfte Mehrheitsführer bleiben.  Grund für die trüben Aussichten der Demokraten ist die Wahlarithmetik. Senatoren sind auf sechs Jahre gewählt. Alle zwei Jahre steht ein Drittel der Sitze zur Disposition. 

Gouverneurswahlen in 38 Bundesstaaten

Die Demokraten müssen diesmal 26 Sitze verteidigen, die Republikaner bloß neun. Nur in zwei Staaten haben sie eine echte Chance, der „Grand Old Party“ (GOP) einen Sitz abzujagen. In Nevada liegt die demokratische Herausforderin des amtierenden Senators Dean Heller, Jacky Rosen, in Umfragen derzeit rund zwei Prozentpunkte zurück. Noch umkämpfter ist Arizona, wo sich zwei Frauen um die Nachfolge des Trump-Kritikers Jeff Flake bewerben. Martha McSally (Republikaner) und Kyrsten Sinema (Demokraten) trennt dabei im Durchschnitt weniger als ein Prozentpunkt.

 Anders die Ausgangslage für die Republikaner. Als sicher kann gelten, daß die Demokratin Heidi Heitkamp ihren Sitz in North Dakota verlieren wird, den sie vor sechs Jahren mit weniger als einem Prozentpunkt Vorsprung gewann. In den Umfragen ohnehin schon zweistellig zurückliegend, dürfte sie das „Nein“ zur Ernennung Kavanaughs auch die letzte Chance gekostet haben. Andere Rennen sind dagegen völlig offen. In Montana liegt der 2006 bei der Anti-Bush-Wahl ins Amt gespülte Jon Tester nur knapp vor seinem republikanischen Herausforderer. In Florida befinden sich der noch amtierende Gouverneur Rick Scott (Republikaner) und Amtsinhaber Bill Nelson (Demokraten) in einem Kopf-an-Kopf-Rennen. In Indiana sieht es nach anfänglichen Vorteilen für Joe Donnelly (Demokraten) mittlerweile danach aus, daß Mike Braun (Republikaner) den vor sechs Jahren verlorengegangenen Sitz für die Republikaner zurückholen kann. Einzige Unwägbarkeit ist hier mit der Libertären Lucy Brenton eine starke Drittparteienkandidatin. 

Völlig unklar ist, welche möglichen Auswirkungen die Briefbomben-Sendungen an Barack Obama, Hillary Clinton und CNN sowie der antisemitische Anschlag auf die Synagoge in Pittsburgh haben werden. Sollte es keine Überraschungen geben, werden die Demokraten also auch weiterhin nur zuschauen können, sollte Trump abermals die Gelegenheit in den Schoß fallen, einen weiteren Richter an den Obersten Gerichtshof entsenden zu können. 2020 wird sich die Ausgangslage übrigens drehen. Dann werden es die Republikaner sein, die in 22 Staaten den Amtsinhaber stellen, während die Demokraten nur zwölf Senatssitze verteidigen müssen. 

Nicht zu vernachlässigen sind auch die Gouverneurswahlen, die in 38 Bundesstaaten stattfinden werden, darunter in 26 der 33 Staaten, in denen die GOP in den vergangenen vier Jahren den Gouverneur gestellt hat. Besonders im wichtigen Bundesstaat Florida droht den Republikanern eine empfindliche Niederlage. Im konservativen Südstaat Georgia muß Republikaner Brian Kemp zittern. Fast schon abschreiben kann auch Bruce Rauner seinen Gouverneursposten in Illinois. Sicher scheint aber auch: Die „blaue Welle“, von der es noch im Sommer schien, daß sie die Demokraten zu einem Erdrutschsieg tragen würde, wird ausbleiben.