© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/18 / 02. November 2018

„Das Schicksal des Landes ändern“
Brasilien: Der Rechtskandidat Jair Bolsonaro gewinnt die Präsidentschaftswahl / Gegner befürchten Rückkehr einer Militärdiktatur
Josef Hämmerling

Als die ersten Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen bekannt wurden, kannte die Freude bei den Anhängern von Jair Bolsonaro kein Halten mehr. Vor den Strandkiosken an der Copacabana in Rio de Janeiro umarmten sich wildfremde Leute, wedelten mit Brasilien-Flaggen und fuhren hupend in Autokorsos durch die Straßen. Fest steht: Brasilien ist am Sonntag deutlich nach rechts gerückt. Bei den Wahlen bekam Bolsonaro von der rechtskonservativen Sozial-Liberalen Partei (PSL) 55,1 Prozent der abgegebenen Stimmen.  

Sein linker Gegenkandidat Fernando Haddad von der Arbeiterpartei PT erhielt dagegen nur 44,9 Prozent. Der 63jährige Bolsonaro tritt damit zum 1. Januar 2019 die Nachfolge von Michel Temer von der Demokratischen Bewegung Brasiliens (PDMB) an, dem Korruptionsvorwürfe zusetzen und der sich möglichweise schon recht bald, wie auch sein Amtsvorgänger Luiz Inacio Lula da Silva, vor Gericht verantworten muß. Ihm wird aufgrund mitgeschnittener Telefonate vorgeworfen, für einen Schaden der öffentlichen Hand in Höhe von 200 Millionen US-Dollar verantwortlich zu sein.

Der 63jährige verspricht demokratische Regierung

In einer ersten Reaktion per Livestream kündigte der neugewählte Präsident an, „das Schicksal des Landes verändern und Brasilien wieder zu einer großen Nation machen“ zu wollen. Auch werde „nicht weiter mit dem Sozialismus, dem Kommunismus, dem Populismus und dem Linksextremismus geflirtet“. Gleichzeitig jedoch versprach er versöhnlich: „Unsere Regierung wird verfassungstreu und demokratisch sein. Das ist ein Schwur vor Gott.“

Genau das Gegenteil hatten ihm seine Gegner vor den Wahlen immer wieder vorgeworfen. Bolsonaro gilt als Sympathisant der Militärdiktatur, die das südamerikanische Land von 1964 bis 1985 regierte. So hatte der frühere Fallschirmjäger bereits im Wahlkampf angekündigt, im Falle seines Siegs die Rolle des Militärs wieder auszubauen. So soll beispielsweise der 64jährige General Antonio Hamilton Mourão Vizepräsident werden. Fünf weitere Minister seines Schattenkabinetts gehören ebenfalls dem Militär an.

Bolsonaros erklärte Hauptziele sind die Bekämpfung der ausufernden Korruption, die Eindämmung der Kriminalität mit derzeit jährlich über 60.000 Tötungsdelikten sowie die Stärkung der Wirtschaft. Sein designierter Wirtschaftsminister, der liberale Ökonom Paulo Guedes, mit dem passenden Spitznahmen „Chicago Boy“, soll Ergebnisse liefern. Seine Pläne zur Privatisierung und Verschlankung des Staats werden von der Wirtschaft unterstützt, die in der regulierten Wirtschaftspolitik seines Vorgängers das Haupthindernis für ein Wirtschaftswachstum sieht. 

Um die innere Sicherheit zu stärken will Bolsonaro die Polizei massiv verstärken und gleichzeitig die „guten Bürger“ bewaffnen, damit sie sich wehren können. Darüber hinaus ist Bolsonaro ein ausgesprochener Gegner der Legalisierung gleichgeschlechtlicher Eheschließungen und der Abtreibung. Dies hatte im Wahlkampf zu einer entscheidenden Unterstützung der evangelikalen Kirchen für den Katholiken geführt.

Die Opposition malt dagegen ein schwarzes Bild für die brasilianische Zukunft. Ihr zufolge will der „Tropen-Trump“, wie Bolsonaro verächtlich bezeichnet wird, das Land wieder in eine Militärdiktatur zurückverwandeln und vor allem auch dem Wirtschaftsaufschwung den Regenwald opfern. Sie werfen ihm vor, Schutzzonen abschaffen und landwirtschaftliche Nutzung fördern zu wollen. Zudem befürchten sie einen Ausstieg Brasiliens aus dem Pariser Klimaschutzabkommen. Mit großer Besorgnis betrachten Bolsonaros politische Gegner auch den Aufbau eines „liberalen Blocks“ in Lateinamerika. Hierzu hatte der SLP-Politiker bereits in den vergangenen Monaten Allianzen mit rechtskonservativen Präsidenten angrenzender Staaten geschmiedet, wie Mauricio Macri in Argentinien, Sebastián Piñera in Chile und Mario Abdo Benitez in Paraguay. US-Präsident Donald Trump ließ es sich unterdessen ebenfalls nicht nehmen, direkt nach Feststehen des Wahlausgangs telefonisch zu gratulieren. Man habe sich darauf geeinigt, in der Zukunft eng zusammenzuarbeiten, hieß es dazu aus dem Weißen Haus.