© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/18 / 02. November 2018

Städte ersticken an EU-Vorschriften
Staub aufwirbeln
Florian Hoffmann

Unsere Technik ist etwas Wunderbares. Das Herz aller bewegten Maschinen – als monströse Dampfmaschine 1769 von James Watt erfunden – wurde 1814 von George Stephenson auf die Schiene gesetzt. Nicolaus A. Otto und Eugen Langen entwickelten daraus den viel kleineren Explosionsmotor (1876), den Carl Benz in eine Kutsche einbaute (1885). Die Gebrüder Wright haben ihn dann „beflügelt“ (1903). Zehn Jahre zuvor hatte Rudolf Diesel seinen genialen Selbstzünder zum Patent angemeldet.

Seine Erfindung zu ächten, würde uns heute bewegungsunfähig machen. Alle (!) Transporter, Lastkraftwagen, Schiffe, aber auch alle Panzer und fast alle U-Boote sind heute dieselgetrieben.

Seit der Erfindung des Turbodiesels braucht man nicht einmal mehr übelriechenden Rußfahnen auszuweichen. Der Selbstzünder galt als sauber, agil und kam in Mode. 2017 wurden in Deutschland mehr Diesel als Benziner neuangemeldet. Tendenziell wurde der Benziner zu Recht eine aussterbende Spezies, denn sein Verbrauch ist etwa 15 Prozent höher.

Ein dubioser Verein, geführt von Rainer Baake – ehemals Staatssekretär im Bundesumweltministerium unter Jürgen Trittin (Die Grünen) – und ein Problem, das keines ist, drehten den Trend wieder um. Das sind die namentlich unverdächtige Deutsche Umwelthilfe (DUH) und die Stickoxide.

Im hochverdichteten Turbodiesel verbrennt nicht nur der eingespritzte Kraftstoff zu CO2, sondern auch – in ganz geringen Mengen – Stickstoff aus der angesaugten Luft zu Stickoxiden, meist NO2. Das ist, wie CO2 ungefährlich – sagt jedenfalls Professor Dieter Köhler, einer der führenden Pneumologen, der feststellt: Wenn die EU-weiten gesetzlichen Grenzwerte von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft etwas mit der Realität zu tun hätten, müßte man nach dem Anzünden eines Adventskranzes das Zimmer verlassen. Oder anders: Ein Raucher sei beim Genuß einer Zigarette bis zu 200.000 Mikrogramm Stickoxid ausgesetzt und müßte danach eigentlich tot umfallen. Das alles ist ersichtlich abstrus. Köhler empfiehlt daher heute, den Grenzwert hochzusetzen, sieht dafür aber EU-seitig keinen Weg.

Genau an dieser Stelle muß man Köhler widersprechen. Demokratie geht anders. Unsinnige Vorschriften müssen öffentlich diskutiert und korrigiert werden. Wenn das bei sinnlosen EU-Grenzwerten nicht möglich wäre, würde es bedeuten, daß deutsche Innenstädte quasi an sinnlosen EU-Richtlinien ersticken sollen. Knapp die Hälfte aller deutschen Innenstädte registrierten im Jahresmittel eine Überschreitung. Würde man den Grenzwert auf 60 oder 100 Mikrogramm erhöhen, hätten die Bürger in den Städten kein Problem. Es bedürfte keiner wegverlängernden Sperrzonen. Und der Diesel könnte weiter fahren.






Florian Josef Hoffmann ist Rechtsanwalt  und Leiter des European Trust Institute.