Berlin-Spandau, morgens, 9.45 Uhr. In der Kneipe „Zur Traube“ in der Pichelsdorfer Straße nippen die Stammgäste ausnahmsweise am Kaffee. Andächtige Stille. „Bitte“, flötet eine weibliche Stimme. Die Kamera läuft. Doch nichts passiert. „Seid ihr alle taub da draußen? Reinkommen!“ In einem Sekundenbruchteil verwandelt sich der Sopran in einen brüllenden Kasernenhof-Ton.

„Diese Versammlung würden wir gerne nachstellen, so authentisch wie möglich.“

Im Auftrag des ZDF dreht eine Produktionsgesellschaft in der Kneipe. Es soll eine Dokumentation über den Denkmalschutz werden. „Über uns wollen die zehn Minuten berichten“, sagt der Mann am Zapfhahn stolz. „Die senden das bei Terra X.“ Dafür scheuchte das Produktionsteam schon am Tag zuvor Bedienungen und Zapfer durchs Lokal. Die Kneipe ist in einem alten und seltenen Fachwerkhaus, dem der Abriß drohte (JF 34/18).

An diesem Morgen will das TV-Team den Beginn der Rettung des Hauses filmen. Im Juli hatte eine Bürgerinitiative dazu aufgerufen, sich für den Erhalt zu engagieren. Bürger trafen sich am 26. Juli in der Kneipe und erarbeiteten Strategien, der RBB filmte live.

„Diese Versammlung würden wir gerne nachstellen“, schrieb die Redakteurin eine Anfrage an die Initiative, „so authentisch wie möglich“. Heißt: An Daddelautomaten darf nicht gespielt werden – wegen des Tons, und an Zigaretten nicht gezogen werden – wegen des Rauchs. Die Versammlung findet dann im hinteren Raum statt – es sind zu wenige Gäste anwesend.

Endlich schwingt ächzend die altersmüde Tür auf. Im Gänsemarsch tappeln vier Männer in die Kneipe. „Guten Morgen“, grüßen sie artig. „Stopp!“ befiehlt der weibliche Spieß. „Alles noch einmal.“ Brav marschieren die Kneipengänger wieder in die Kälte. „Und ihr wißt auch, in welcher Reihenfolge ihr hier reingekommen seid?“ Alle vier versichern es. Und der erstaunte Zuschauer am Tresen fragt sich: „Was wäre, wenn nicht? Lebenslanges Fernsehverbot?“