© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/18 / 02. November 2018

Emma im Sturm der Empörung
Einst Vorzeigemedium linksliberaler Kreise, ist das Frauenmagazin zunehmenden Vorwürfen ausgesetzt
Martina Meckelein

Es gibt wohl nur sehr wenige deutsche Blätter, die den Eindruck vermitteln, das zweite Ich ihrer Herausgeberin zu sein. Die Frauenzeitschrift Emma ist solch eine Zeitung. Emma ist ohne Alice Schwarzer nicht denkbar. Insofern ist der Kauf der Zeitung sechsmal im Jahr auch eine Wahl für Alice Schwarzer. Doch das Urviech der Frauenbewegung ist in schweres Fahrwasser geraten: Der neue Feminismus frißt seine Mutter. Der Vorwurf lautet: Rassismus und Islamhaß.

„Emma und der Beifall von rechts“, lautete die Überschrift eines Textes am 2. Juli 2018 auf dem Online-Magazin Übermedien. Twitter-Analysen eines Kommunikationswissenschaftlers sollten belegen, daß zehn bis 15 Prozent der Emma-Follower aus der rechten Ecke stammen. Laura Lucas, die Autorin des Artikels, schloß daraus: „Fest steht: Emma bedient – auch – ein rechtes Publikum.“

Nicht der erste Text mit einem „rechten Sound“

Tut sie das? Laut einer Umfrage der Emma ist das durchschnittliche Alter der Leserinnen 42 Jahre, 34 Prozent haben Abitur, 53 Prozent einen Universitätsabschluß, 68 Prozent sind berufstätig. Zur politischen Einordnung wurden keine Daten erhoben oder nicht veröffentlicht.

Einen rechten Geruch macht auch die taz bei der Emma aus. Am 31. August 2018 erschien unter dem Titel „Frau W. und Nesrin in Chemnitz“ die Wiedergabe einer Straßenszene in der Emma. Die Reporterin Annika Ross war kurz nach dem Mord an Daniel H. nach Chemnitz gefahren und stellte Chemnitzerinnen die Frage, ob und wenn ja wie Migranten die Stadt verändert hätten? Die Frauen schienen mißtrauisch, doch die Reporterin gab authentisch deren Erfahrungen und die daraus resultierende Wut und Ängste wieder. Ein Zitat ist gefettet: „Jetzt ist der Hitlergruß wieder schlimmer als eine Vergewaltigung.“ 

Wie nicht anders zu erwarten, behauptete die taz, es handele sich bei dem Text um Tendenz- und Kampagnenjournalismus, frei von Fakten und Recherche. „Es ist nicht der erste Text der Emma, der einen rechten Sound anschlägt“, bilanzierte das linke Blatt.  

Schon lange bevor sie Anfang 1977 Emma auf den Markt brachte, war Schwarzer eine berühmte Journalistin und Autorin („Der kleine Unterschied und seine großen Folgen“, 1975). Politische und journalistische  Auseinandersetzungen sind für sie nichts Neues. Sie verklagte 1978 (erfolglos) den Stern auf Unterlassung: Die Illustrierte hatte nicht nur nach Schwarzers Ansicht eine Reihe frauenerniedrigender Titelseiten veröffentlicht.

Schwarzer reiste 1979 in den Iran und schrieb später darüber in der Emma und der Zeit: „Iran: Schleierhaft“. Seitdem sieht sie religiösen Fundamentalismus, den sie auch als Kampf gegen erstrittene Frauenrechte begreift, als große Gefahr – eben auch in Deutschland. Emma schweigt auch nicht über die massenhaften sexuellen Übergriffe in Köln zu Silvester 2015/16. Schwarzer betont später gegenüber der Zeit vom 28. Juni 2016, sie habe immer schon vor den radikalen Ausprägungen des Islams gewarnt. Viele andere hätten beim Thema Islam einen blinden Fleck, sie nicht. Die Zeit-Autoren urteilen: „Differenzierung war noch nie ihre Lieblingstugend.“

Auch so hippe, urbane und angeblich feministische Magazine wie Missy schreiben gegen Schwarzer und Emma an. Dabei steht das Missy Magazine wie kein anderes für eine Entpolitisierung des Feminismus. Im Grunde geht es um Sprach- und Denkverbote und um Politische Korrektheit, verziert mit etwas Pop, Make-up und Mode. Es ist diese Zeitschrift, die über Schwarzers Buch „Der Schock“ (2016) schreibt: „Alice Schwarzers Buch über die Kölner Silvesternacht ist eine rassistische Haßschrift.“

In der aktuellen Emma-Ausgabe heißt ein Thema „Chemnitz, was war da eigentlich los? Und wo sind die Stimmen der Bürgerinnen?“ Autorin Annika Ross antwortet in dem November/Dezember-Heft ihren Kritikern und wirft ihnen nicht nur „Rassismus gegen Frauen“ vor: „Diese Journalistinnen haben ein moralisches Überlegenheitsgefühl, das aus Frauenfeindlichkeit und Borniertheit gespeist wird.“ Scharf auch die Bilanz des Blattes über das #Wirsindmehr-Konzert in Chemnitz: „Beim Konzert gegen Menschenverachtung war Frauenverachtung noch nicht mal mehr ein Nebenwiderspruch.“

Schwarzer wird die erwartbare erneute Kritik aushalten. Ob ihre Leserinnen ihr folgen? 1977 startete Emma mit 200.000 Exemplaren. Seit elf Jahren meldet die „Emma Frauenverlags GmbH“ aus Köln der IVW keine Auflagenzahlen mehr. Wenn die Eigenauskunft stimmt, sind es heute noch 28.041 Exemplare. Politisch korrekt, wenn es um den Islam geht, war sie nie.