© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/18 / 09. November 2018

Alles außer Schmuddeln
AfD und Verfassungsschutz: Um der Beobachtung zu entgehen, setzt der Vorstand auf Selbstreinigung und juristische Gegenwehr / Partei uneins über Maßnahmen
Christian Vollradt

Es darf auch in unserer Partei nicht alles gesagt werden“, konstatiert AfD-Parteichef Jörg Meuthen am Montag, als er vor Journalisten zum Thema „Die AfD, der Verfassungsschutz und die Meinungsfreiheit in Deutschland“ Stellung bezieht. Aber, so betont er, der Vorstand werde sich nicht als eine „Sprachpolizei“ gerieren. „Wir setzen auf die Vernunft unserer Mitglieder.“ Für sie habe man Handreichungen entworfen, mit denen der „relevante Rechtsrahmen“ erläutert und über den Umgang mit „Einzelfällen verfassungsfeindlicher Äußerungen“ aufgeklärt werden soll. 

Eine – möglicherweise – drohende Beobachtung der AfD beziehungsweise einzelner Verbände oder Einzelpersonen in der Partei treibt derzeit viele um und sorgt intern für erhebliche Unruhe. Die einen warnen davor, in einem solchen Fall könnten „nahezu alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes“ die Partei „in kürzester Zeit verlassen“, so der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD im Berliner Abgeordnetenhaus, Frank Hansel. Denn bei einem weiteren Verbleib müßten „Soldaten, Polizisten, Justizvollzugsbeamte, Richter damit rechnen, dienstrechtlich belangt zu werden“, befürchtet der Politiker. Zudem könne die AfD von der Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden. „Das bedeutet keine Wahlkampfkostenerstattung mehr, keine staatliche Bezuschussung von Spenden, keine steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden und Mitgliedsbeiträgen mehr.“ Hansel hält das Vorgehen des Bundesvorstands für dringend geboten, wenn die AfD „als politisch gestaltende Partei“ wahrgenommen und aus der „Schmuddelecke“ hinaus wolle. 

Andere – wie die mittlerweile über tausend Unterzeichner des sogenannten „Stuttgarter Aufrufs“ (JF 46/18) – wittern „Gesinnungsprüfungen“ und beklagen einen „vorauseilenden Gehorsam“. Auch Thüringens AfD-Vorsitzender Björn Höcke hatte am vergangenen Wochenende auf dem Landesparteitag die Sorge vor dem Verfassungsschutz als „politische Bettnässerei“ abgetan. Daß einige Mitglieder dazu rieten, Begriffe wie „Altparteien“ nicht mehr zu verwenden, um so eine nachrichtendienstliche Beobachtung der Partei abzuwenden, sei politische „Narretei“, äußerte Höcke. 

Klage vor dem Gerichtshof       für Menschenrechte 

Dem folgte am Montag eine erstaunlich deutliche Kritik aus dem Munde des zweiten Bundesvorsitzenden der AfD: „Ich halte diese Worte für falsch und in keiner Weise zielführend“, sagte Alexander Gauland. Das werde er auch Björn Höcke persönlich mitteilen. Daß die Drohung mit dem Verfassungsschutz ungerechtfertigt und in erster Linie politisch motiviert sei, um unliebsame Konkurrenz zu bekämpfen, hatte sein Co-Sprecher Meuthen am Beginn der Pressekonferenz ausgiebig erörtert. Die AfD stehe zweifelsfrei auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. „Wir sind eine Rechtsstaatspartei“, betont der Europaabgeordnete. Ungeachtet dessen gebe es in einer jungen Partei immer wieder Leute, die nicht kompatibel seien. „Wir haben die Pflicht hinzuschauen, und das nehmen wir sehr ernst.“ 

In zwei Richtungen zielt der Bundesvorstand bei der Abwehr einer drohenden Verfassungsschutz-Beobachtung: Zum einen nach außen, mit einer geplanten präventiven Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Mit ihr soll die nach deutschem Recht zulässige Benachteiligung der AfD durch eine „Verdachtsberichterstattung“ verhindert werden, führt der Leiter der vom Vorstand eingesetzten „Arbeitsgruppe VS“, Roland Hartwig aus. Zum anderen soll eine geplante „unabhängige Instanz“ aus drei nicht der Partei angehörenden Fachleuten mit der zentralen Koordinierung von Parteiordnungsverfahren betraut werden. Die drei AfD-Politiker betonten erneut, was der von ihnen beauftragte Freiburger Staatsrechtler Dietrich Murswiek bereits am Wochenende in einer persönlichen Erklärung richtiggestellt hatte: Sein Gutachten befasse sich nicht mit der Frage, ob die AfD vom Verfassungsschutz beobachtet werden dürfe. Er habe lediglich „allgemein die rechtlichen Voraussetzungen dargestellt, die erfüllt sein müssen, damit der Verfassungsschutz eine politische Partei beobachten darf.“ 

Murswiek empfiehlt der AfD etwa, einen „Sicherheitsabstand“ einzuhalten zu jenen Organisationen, die auf der zu aktualiserenden Unvereinbarkeitsliste stehen. Ferner sei klarzustellen, „was mit der Politik der AfD nicht vereinbar ist.“ Der emeritierte Professor warnte zudem vor Pauschalisierungen „Es darf nie der Eindruck erweckt werden, als bezeichne man alle Immigranten als kriminell, sozialschädlich oder ähnliches.“ Entscheidend sei vor allem auch eine „öffentliche und energische Distanzierung“, wenn sich Parteimitglieder fragwürdig verhalten oder geäußert hätten.