© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/18 / 09. November 2018

Das faule Ei aus Bremen
Super-Sparkasse: Europaweiter Streßtest offenbart Probleme der NordLB / Diskussion über Mega-Fusion von deutschen Landesbanken
Carsten Müller

In diesem Jahr feiert die Berliner Sparkasse ihr 200jähriges Jubiläum. 1817 angeregt vom Magistrat der Stadt und ein Jahr später genehmigt durch die Königlich Preußische Regierung hat das kommunale Kreditinstitut mehrere Kriege, Regierungs-, Regime- und Systemwechsel sowie die deutsche Teilung überlebt. Ursprünglich eine „Sparkasse für die ärmere Klasse“ mit im ersten Jahr nur 551 Kunden, sind es heute 1,3 Millionen Privatgirokonten und 18 Milliarden Euro Kundeneinlagen.

Privater Investor oder sparkasseninterne Lösung?

Die kleinen Privat- und Geschäftskunden waren kein Problem, doch 1994 erfolgte die Gründung der Bankgesellschaft Berlin – die Spitzen von Politik und Wirtschaft der Hauptstadt wollten zur westdeutschen Konkurrenz aufschließen. Doch es kam ganz anders: Ein desaströses Kredit- und Immobilienengagement manövrierte die landeseigene Bank in eine Existenzkrise: 2001 drohte die Pleite der Dachgesellschaft, die Steuerzahler des Landes Berlin mußten Milliardenrisiken übernehmen. Seit 2007 gehört die Berliner Sparkasse als Teil der Landesbank Berlin dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV).

Der Berliner Bankenskandal hatte eher lokale Ursachen – die Schieflage der meisten anderen Landesbanken war globaler Hybris geschuldet: Fehlgeschlagene, irrwitzige Spekulationen brachten sie in Schieflage. So mußte die WestLB  – die Girozentrale der Sparkassen und Hausbank des Landes Nordrhein-Westfalen 2012 zerschlagen werden. Die BayernLB wurde mit zehn Milliarden Euro Steuergeld aufgefangen, die SachsenLB fand Hilfe bei der Stuttgarter LBBW. Die HSH Nordbank verbrannte Milliarden, bis sie an eine Bietergemeinschaft um Christopher Flowers und den Investmentfonds Cerberus verkauft wurde. (JF 11/18). Die Steuerzahler von Hamburg und Schleswig-Holstein blieben allerdings auf Milliardenkosten sitzen.

Nun steht die nächste Landesbank, die NordLB, die auch Girozentrale für die Sparkassen in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern ist, auf der Klippe. Was überrascht, da dieses Spitzeninstitut bislang als solide galt. Die Probleme durch faule Schiffskredite in Milliardenhöhe waren bekannt. Doch richtig problematisch wurde es, als man 2017 die bankrotte Bremer Landesbank übernahm. Wie schlecht es um das Institut steht, zeigte der jüngste Streßtest der Europäischen Bankaufsichtsbehörde EBA: die NordLB schnitt unter allen deutschen Banken am schlechtesten ab.

Um die Bank wieder auf die Füße zu bekommen, werden nun bei den Eignern zwei Optionen diskutiert. Die erste Option wäre eine Kapitalerhöhung mit der Hereinnahme eines neuen Investors. Dies könnte ein privater Finanzinvestor sein wie Cerberus. Eine Alternative wäre die Beteiligung einer anderen Landesbank. Hier wird die hessische Landesbank Helaba als Favorit genannt. Wobei dieses Szenario zur zweiten Option führt. Denn innerhalb des DSGV wird darüber diskutiert, ob es hier nicht eine große Lösung geben könnte, die Fusion gleich mehrerer Landesbanken und angeschlossener Gesellschaften.

Konkret geht es um den Zusammenschluß von Helaba, NordLB, der LBBW, der sparkasseneigenen Fondsgesellschaft Deka und des Immobilienfinanzierers Berlin Hyp. Auf den ersten Blick hätte solch ein Zusammenschluß fast nur Vorteile. Zum einen könnten die Strukturen deutlich gestrafft werden. Die Volks- und Raiffeisenbanken als größter Wettbewerber der Sparkassen zeigen, wie es geht. Denn diese haben nur ein Spitzeninstitut, die DZ Bank, sowie nur eine genossenschaftsweite Bausparkasse und einen Versicherer.

Bei einem Zusammenschluß aller sechs nach der Finanzkrise noch verbliebenen verbliebenen Sparkassen-Spitzeninstitute könnten noch deutlichere Einsparungen in den jeweiligen Zentralen und bei übergreifenden Systemen wie IT geschaffen werden. Außerdem ließe sich in den betroffenen Regionen ein einheitlicherer Marktauftritt organisieren, der sicherlich bei den Kunden gut ankommen könnte, insbesondere bei lukrativen Zusatzdienstleistungen wie Versicherungen oder Fondsanlagen.

Neu ist die Idee einer Fusion nicht. Schon seit 30 Jahren diskutieren die Sparkassen-Verantwortlichen über solche Pläne. Doch bislang scheiterte jeder Versuch einer großen Lösung daran, daß viele Partikular-Interessen unter einen Hut zu bringen wären. Denn die regionalen Spitzeninstitute gehören in der Regel zum einen den Bundesländern selbst, zum anderen den regionalen Sparkassenverbänden. Da will keiner an Einfluß verlieren, was auch mit der Zielvorgabe der Sparkassen selbst zu tun hat, sich um Privatkunden und mittelständische Firmen in der jeweiligen Region zu kümmern.

So waren Sparkassen seit jeher auch ein Instrument der Landesregierungen, um politische Projekte umzusetzen. Gäbe es ein überregionales Spitzeninstitut, würde die Politik zu den Verlierern gehören. Denn in einer neuen Konstellation hätten wohl nur die Sparkassen das Sagen. Aber auch für die Kunden könnten andere Zeiten anbrechen. Denn ein überregionales Institut würde womöglich in seiner Geschäftspolitik weniger Rücksicht auf die Bedürfnisse vor Ort nehmen. Bezeichnend sind Statements aus dem Kreis der aktuellen Diskutanten, daß ein großes Spitzeninstitut auch größere Transaktionen stemmen könnte.

Was eher nach internationalem Investmentbanking statt nach Kreditgeschäft für den Bäcker oder Malermeister nebenan klingt. Bevor hier allerdings über den großen Wurf einer Neuorganisation des Sparkassenwesens in Deutschland abgestimmt werden kann, steht an erster Stelle die Rekapitalisierung der NordLB. Mit geschätzten 3,5 Milliarden Euro Bedarf eine machbare Aufgabe, sowohl für private Investoren als auch für die Helaba. Letztlich wird die entsprechende Entscheidung zeigen, wohin die Reise für die Sparkassen gehen könnte.