© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/18 / 09. November 2018

CD-Kritik: Ian Bostridge, Antonio Pappano
Soldatenlieder
Jens Knorr

Krieg ist keine Kunst: Krieg vernichtet Kunst. Und Künstler! Rudi Stephan fällt 1915 in Galizien an der Ostfront, George Butterworth 1916 in der Schlacht an der Somme. Der Deutsche hat einige seiner Lieder auf Texte von Gertrud von Schlieben noch im Schützengraben komponiert, der Engländer Gedichte aus „A Shropshire Lad“ von A. E. Housman schon vor dem großen Krieg der weißen Männer. Housmans Gedichtband war Lieblingslektüre der grünen „Jungen, die ruhmreich sterben werden und nie alt werden“. Kurt Weill, ausgebürgerter deutscher und eingebürgerter US-Bürger beginnt die Komposition der „Four Walt Whitman Songs“ während des Zweiten Weltkriegs. Mit dreien von Gustav Mahlers Wunderhorn-Liedern, surrealen Szenerien, in denen mehrhundertjährige deutsche Kriegserfahrung und Vorahnung kommender Stahlgewitter zusammenschießen, beschließen Tenor Ian Bostridge und Antonio Pappano am Klavier ihr Programm zum 100. Jahrestag des Waffenstillstands im November 1918.

Bostridge treibt die Lieder in eine die Gesangslinie sprengende Expressivität, rührt in heiligem Zorn, gellend, verzweifelnd an den Grenzen des Sangbaren, die seine Komponisten überschritten haben. Das letzte, abgründig Wort hat der Deserteur auf seinem letzten Gang zum Galgen, der uns unbelehrbare Untote, seine Henker, grüßt: „Gute Nacht“!

Requiem The Pity of War Ian Bostridge, Antonio Pappano Warner Classics 2018  www.warnerclassics.de