© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/18 / 09. November 2018

Der „Blaue Max“ tritt ab
Das Ende des begehrtesten deutschen Ordens: Am 9. November 1918 wurde an den Jagdflieger Carl Degelow der letzte Pour le Mérite vergeben
Heiko Piller

Einer der begehrtesten und angesehensten Orden im Ersten Weltkrieg war der „Pour le Mérite“, der mit dem Untergang der Monarchie in Deutschland verschwand. Die letzte Verleihung wurde dem 1891 in Münsterdorf geborenen deutschen Offizier und Jagdflieger Carl Degelow zuteil. Der Jagdfliegerleutnant bekam diese hohe Auszeichnung, deren bekanntester und bis zum 17. Februar 1998 zuletzt lebender Träger der Infanterieoffizier Ernst Jünger war, nach dreißig anerkannten Abschüssen zwei Tage vor Kriegsende verliehen. Er war darüber hinaus Träger beider Klassen des Eisernen Kreuzes und des Ritterkreuzes des königlichen Hausordens von Hohenzollern mit Schwertern.

Der Verdienstorden blickte bis dahin auf eine über 250jährige Tradition zurück. Der junge Kurprinz Friedrich von Brandenburg stiftete 1667 einen höfischen Freundschaftsorden, den Orden „de la Générosité“. Daraus entwickelte sich nach und nach ein weltlicher Ritterorden mir dem Charakter eines Verdienstordens. Allerdings schwand dessen Ansehen in der Folgezeit, gerade unter König Friedrich Wilhelm I., durch dessen freizügige Vergabe. Als Friedrich der Große 1740 den preußischen Thron bestieg, schaffte er dieses peinliche Erbe ab und ersetzte es.

Friedrich II. wollte keinen Orden zur landesherrlichen Selbstbestätigung, sondern er hatte erkannt, daß sein expansives politisches Programm einen allseits anerkannten Orden verlangte, mit dem er seine Untertanen zu Leistung und Loyalität verpflichten konnte. Alleine das gewählte Motto für den neuen militärischen Verdienstorden war Allumfassend: „Pour le Mérite“ – für das Verdienst. Dabei war es bei der verdienstvollen Handlung nicht ausschlaggebend, ob sie aus einer besonders tapferen Tat oder erfolgreichem militärischen Handeln bestand. Die Auszeichnung sollte Belohnung und Ansporn sein und nur an aktive Offiziere verliehen werden. Dennoch wurden bis 1810 auch vereinzelt Zivilisten beliehen, 1750 zum Beispiel Voltaire. Zwischen 1740 und 1786 wurden 924 Kreuze verliehen, die meisten in den Kriegen Friedrichs II. Die Entscheidung über die zu beleihende Person lag ausschließlich beim König, und dieser hatte ein ausgezeichnetes Personengedächtnis. 

Demgegenüber nahmen die Verleihungszahlen unter König Friedrich Wilhelm II. mit 1.006 fast inflationäre Dimensionen an. Es konnte sogar passieren, daß bei einer Revue einem Offizier allein für sein schneidiges Auftreten der Orden verliehen wurde. Wieder begann das Ansehen der Auszeichnung zu sinken. 

In den Napoleonischen Kriegen stieg der Bedarf an Orden und Auszeichnungen wieder an. Friedrich Wilhelm III. verlieh 2.409 Ordenskreuze, davon über 1.800 an ausländische Soldaten, die meisten davon an Russen. Dabei fungierte der „Pour le Mérite“ nach 1810 ausschließlich als Militärorden, für den eine Tapferkeitstat Voraussetzung war. 

König Friedrich Wilhelm IV. stiftete 1844, als Anerkennung für die fünfzigjährige Trägerschaft, eine goldene Krone, an der das Ordenskreuz von 105 Jubilaren getragen wurde. In seiner Regierungszeit gab es aber nur 32 Ordensverleihungen. In die Regierungszeit des nach seinem Tod regierenden Bruders Wilhelm wurden, geschuldet dem Dänischen Krieg von 1864, dem Deutschen Krieg von 1866 und dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71, wieder mehr Orden verliehen. Allerdings blieb die Auszeichnungszahl mit 249 gemessen an diesen historisch bedeutenden Ereignissen eher gering. 

Das bewirkte jedoch, daß der „Pour le Mérite“ sehr stark an Renommee gewinnen konnte und sich die Auszeichnung bis in den Ersten Weltkrieg hinein zum begehrtesten deutschen Militärorden entwickelte, der in Anlehung an einen der bekanntesten Träger, das Flieger-As Max Immelmann, auch „Blauer Max“ genannte wurde. 

Der letzte vom Kaiser Ausgezeichnete, Leutnant Degelow, blieb nach dem Ersten Weltkrieg durch Mitgliedschaften im „Stahlhelm“, dem „Ring der Jagdflieger“ und der „Ritterschaft des Ordens Pour le Mérite“ in stetiger Verbindung mit seinen Kameraden. Im August 1936 wurde der als Oberlandesführer der SA-Reserve in Pommern tätige Degelow als Offizier reaktiviert, jedoch nicht mehr als Flieger eingesetzt. Er stieg bis zum Rang eines Majors der Reserve auf. Er intervenierte mehrmals beim „Pour le Mérite“-Kameraden Hermann Göring für jüdische Freunde. Doch im August 1941 wurde der sich für die NS-Führung immer unbequemer gerierende Degelow – wegen eines verweigerten Hitlergrußes wurde er sogar kurz arrestiert – von allen seinen militärischen Pflichten entbunden, beurlaubt und unabkömmlich gestellt. Degelow überlebte so den Krieg und starb am 9. November 1970 in Hamburg.