© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/18 / 09. November 2018

Kein Kitsch vom Kirchentag
Der persiche Dichter SAID über Jesus von Nazareth
Rolf Stolz

Ein wichtiger deutscher Dichter unserer Gegenwart wurde 1947 als Iraner in Teheran geboren: SAID. 1965 kam er als Student nach München, kehrte 1979 nach dem Sturz des Schah für kurze Zeit in den Iran zurück, floh aber bald schon erneut vor der blutigen Khomeini-Diktatur.  

Die deutsche Sprache wurde dem Schriftsteller zur Heimat, aber zugleich nahm er die vielfältigen Traditionslinien der persischen Geschichte auf. Ausgerechnet dieser Meister der lyrischen Prosa hat jetzt ein schmales, aber gehaltvolles Buch über Jesus vorgelegt. Es ist ein Kontrapunkt zur üblichen Jesus-Literatur, die sich zwischen Esoterik und fliegenbeinzählender Zitathuberei bewegt, sich teils versteift auf Jesus als Menschenrechtskumpel oder ihn zurechtbiegt zum harmlosen außerirdischen Ideal.

SAID geht einen anderen, seinen ureigenen Weg. Er stellt viele Fragen und gibt einige Antworten, jedoch unterbleibt eine simple Selbstverortung in einer der religiös-kirchlichen Schubladen. Bei allen Bezügen zur Geschichte – vom Befreiungskampf des Spartakus in Rom bis zum Kongo des 1961 ermordeten Patrice Lumumba – nimmt SAID in diesem Buch  den hymnischen Ton der heiligen Schriften wie auch seines Gedichtbandes „Psalmen“ von 2007 wieder auf. Hier erscheint nicht der versimpelte, allzu vermenschlichte Jesus des Linksliberalismus und der Kirchenbürokratie, sondern ein grundstürzender Messias, der eine neue Welt verkündet und verwirklicht. Die Heuchler, die schön reden und schlecht oder gar nicht handeln, also all die „halbherzigen gottesverkäufer“ und „ewig frommen, die das trennende suchen“, werden so gegeißelt, wie sie es verdienen: „abermals werde ich die geldwechsler aus den tempeln jagen, aus allen tempeln (...) ich auferstehe und zertrümmere eure heiligen kartenhäuser, eure bigotterien. diese werden den sturm meines glaubens nicht überstehen.“

Ohne bemühte Neologismen und Avantgarde-Spielereien wird ein eigenwilliger Zugang zu Jesus eröffnet, der ja im Matthäus-Evangelium (Kap. 16,13) selbst die Frage aufwirft: „Wer sagen die Leute, daß des Menschen Sohn sei?“ Statt eine rezeptartige Jesus-Formel abzuliefern, gibt SAID darauf eine, seine Antwort – mit einer bewegenden Dichtung aus dem Herzen und Geist eines Dichters.

SAID: ich, jesus von nazareth. Nachwort von Erich Garhammer. Echter Verlag Würzburg 2018, gebunden, 59 Seiten, 12,90 Euro