© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/18 / 09. November 2018

Frisch gepresst

Posen. Das im 65. Jahrgang erscheinende Jahrbuch Weichsel-Warthe steht im Zeichen der Ereignisse, die vor 100 Jahren zum Verlust der preußischen Provinz Posen führte. Der „Großpolnische Aufstand“, der Ende 1918 ausbrach und dem die revolutionäre Reichsregierung der sozialdemokratischen „Volksbeauftragten“ hilflos bis wohlwollend gegenüberstand, sei aus der deutschen Historiographie verschwunden, resümiert eingangs Martin Sprungala, der Sprecher der gleichnamigen Landsmannschaft. Obwohl damit die Vertreibung einiger hunderttausend Deutscher ihren Anfang nahm, spiele die Annexion Posens im kollektiven Gedächtnis schon deshalb keine Rolle mehr, weil Konsens zu sein scheine, daß Polen ein historisches Recht hatte, diese Provinz als „Ursprungsland“ seinem im November 1918 neu erstandenen Nationalstaat einzuverleiben. Darüber hinaus bietet das Jahrbuch wieder einen bunten Strauß zur Geschichte und Kultur dieser zu Unrecht vergessenen Provinz, deren deutsche Prägung heute von polnischer Seite zunehmend wiederentdeckt wird. (ob)

Landsmannschaft Weichsel-Warthe: Jahrbuch Weichsel-Warthe 65. Jahrgang 2019, Eigenverlag, Wiesbaden 2018, 176 Seiten, Abbildungen, 10,50 Euro





Reichsgrenze. Die Ostgrenze nach 1919 erlebte in Deutschland eigentlich erst nach dem Zweiten Welt seine wahrhafte Anerkennung, als mit der Vertreibung der Ostpreußen, Pommern und Schlesier die 1937er-Grenze als immerhin halbwegs realistische Revisionsgröße erschien. Zuvor war die Linie zwischen den Ostseedünen unweit der Putziger Nehrung und der Oder bei Ratibor als „Versailler Schandgrenze“ unbeliebt oder sogar eine heiß umkämpfte „Blutgrenze“, wie in Oberschlesien Anfang der zwanziger Jahre. Der taz-Journalist Uwe Rada und die polnische Historikerin Dagmara Jajesniak-Quast (Viadrina) haben sich entlang dieser heute „vergessenen Grenze“ auf Spurensuche begeben und knapp zwei Dutzend Beiträger zu Exkursen über Gdingen, das „Dreiländereck Teschen“ bis zur Biographie Woiciech Korfantys versammelt, die an spannungsgeladene deutsch-polnische Zeiten erinnern. Heute zeichnet sich diese Grenzlinie manchmal kurioserweise beim Wahlverhalten ab, wo in den ehemals deutschen Provinzen meist gemäßigter als in Zentralpolen gewählt wird und antideutsche Stimmungsmache einiger PiS-Politiker weit weniger verfängt. (bä)

Dagmara Jajesniak-Quast, Uwe Rada (Hrsg.): Die vergessene Grenze. Bebra Verlag, Berlin 2018, broschiert, 255 Seiten, Abbildungen, 16,99 Euro