© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/18 / 09. November 2018

Holz ist knapp
Rußland exportiert weniger in die EU, mehr nach China
Albrecht Rothacher

Holz, sollte man meinen, wächst in unseren Breiten genügend nach. Auch werden drei Viertel der verbrauchten Zellstoffprodukte wie Papier und Pappe in der EU recycelt. Trotz des sinkenden Bedarfs an Zeitungs- und Briefpapier steigt die Nachfrage: Kartonagen für den Internethandel, Zellstofftextilien für Hygieneartikel, Papiertüten und Küchenpapier.

Allein für Pellets und Hackschnitzel für Heizzwecke hat sich die Nachfrage in den letzten fünfzehn Jahren verdoppelt. Entsprechend stark ist der Importbedarf – derzeit 15 Prozent des EU-Gesamtverbrauches, der bis zum Jahr 2016 zu zwei Dritteln aus Rußland, Weißrußland und der Ukraine stammte. Russisches Birken- und Koniferenholz ging zum Papier- und Pulpeweltmeister Finnland, weißrussisches Holz nach Polen und ins Baltikum, und das Holz der ukrainischen Karpaten nach Rumänien und Mitteleuropa.

Quotenholz geht zunehmend an China

Seit drei Jahren jedoch beschränken alle drei Hauptlieferanten zunehmend ihre Holzexporte in die EU, deren Wert sich im Jahr 2016 noch auf 420 Millionen Euro belaufen hatten. Die offizielle Begründung ist, die Verarbeitung und Wertschöpfung im eigenen Lande zu fördern. Einziger Schönheitsfehler ist ein Exportbann, der die Bestimmungen des schwer erkämpften Freihandelsabkommens zwischen der Ukraine und der EU bricht – genauso wie Rußland und die Ukraine WTO-Recht brechen. Doch auch Weißrußland will der Welthandelsorganisation beitreten und muß sich an die Regeln gewöhnen.

Rußland indes erließ befristete Exportverbote für Birkenrundholz und Furnierholz, die wiederholt verlängert wurden. Das soll die Preise für einheimische Verarbeiter senken. Für andere Holzexporte gibt es Quoten, die aber zunehmend nach China gehen. So hat sich der Export des Birkenrundholzes ins Reich der Mitte zwischen 2013 und 2016 verdoppelt. Dazu kommen Zollschikanen an der Grenze: Alles abladen, um die Stammdurchmesser zu messen oder willkürlich die Holzqualität zu prüfen. Zudem erhöht die russische Staatsbahn ihre Frachttarife für Holzexporte nach Belieben. Auch auf höchster Ebene bleibt seit 17 Monaten ein Brief von EU-Außenhandelskommissarin Cecilia Malmström an Industrieminister Denis Manturow unbeantwortet.

Sowjetisches Papierkombinat ist wieder rentabel

Schon 2007 hatte Rußland seine Exportsteuern auf Holz kurzfristig verdoppelt. Das hatte etwa die finnische Papierfabrik von Stora Enso in der Grenzstadt Imatra mit ihren 2.400 Angestellten als wichtigsten Arbeitgeber des Ortes hart getroffen. Die ist von den ständigen Bahnlieferungen russischer Birkenstämme für ihre Spezialpapiere abhängig. Dabei ist Holz in Rußland nicht knapp, was handelsrechtlich Exportsperren im Notfall rechtfertigen könnte. Es besitzt 22 Prozent der Waldfläche der Welt und könnte jährlich 600 Millionen Kubikmeter Holz fällen, tut dies aber nur zu einem Drittel.

Doch wer in Rußland selbst verarbeitet, bleibt unbehelligt. So die Oberkärntner Firma Hasslacher, die in Nowgorod hochwertige Bauteile für erdbebensichere Holzhäuser in Japan herstellt und exportiert. Das gilt auch für die Papierfabrik Syktyvkar in der gleichnamigen russischen Stadt im Besitz der südafrikanische Gruppe Mondi, ein weltweit führender Papier- und Kartonagehersteller. Die in Johannesburg, London und Wien ansässige Firma hatte im Jahr 2002 in der Republik Komi, 1.000 Kilometer nordöstlich von Moskau, ein heruntergewirtschaftetes Papierkombinat erworben.

Es war Anfang der sechziger Jahre von „Freiwilligen“ der Komsomol, der Jugendorganisation der KPdSU, mit gigantomanischen Ausmaßen auf 1.000 Hektar auf Parteibefehl mitten in die Taiga gebaut worden. Nach Investitionen von 545 Millionen Euro produzieren die knapp 10.000 Beschäftigten mittlerweile eine Million Tonnen Papier profitabel für den wachsenden russischen Markt. Auf 2,1 Millionen Hektar Wald hat Mondi dort Einschlagrechte für fünf Millionen Kubikmeter Holz im Jahr. Praktisch geht dies freilich nur im Winter, wenn die Böden gefroren sind.

Die Monoindustriestadt Baikalsk dagegen hatte nicht das Glück, für ihre bankrotte Zellstoffabrik einen ausländischen Investor zu finden. Zu Sow­jetzeiten wurden solche Industriestädte mit ihren Plattenbauten um ein einziges Kombinat herum aus dem Boden gestampft. Für die 15.000 Einwohner von Baikalsk gibt es nur noch die Alternative zwischen Arbeitslosigkeit und Abwanderung.

Die Waldwirtschaft muß notgedrungen in Generationen denken. Die russischen Staatsforste vergeben Konzessionen zum Fällen jedoch nur für fünfzig Jahre. Obwohl in- wie ausländische Sägewerke die Pflicht haben, für die Wiederaufforstung zu sorgen – welcher sie meist lustlos nachkommen –, ist jene Frist zu kurz für eine nachhaltige kostenintensive Forstpflege, denn die Bäume werden dort erst nach mindestens achtzig Jahren schlagreif. So schädigt der russische Gesetzgeber die Interessen der Enkelgeneration.

NGO lastet Raubbau in der Ukraine Europäern an

In Weißrußland sind seit 2016 alle Holzexporte verboten, außer Präsident Lukaschenko erlaubt sie per Erlaß. Das war bis zu Beginn dieses Jahres kein Problem. Doch seit ein riesiges chinesisches Zellstoffwerk nach vielen Qualitätsproblemen im südweißrussischen Svetla­horsk seine Produktion aufgenommen hat, wird das früher für den Export bestimmte weißrussische Holz als Pulp und Papier veredelt nach China verschifft. Für die österreichische Lenzing Gruppe, eine der Weltmarktführer für Viskose und die Zellwolle-Produktion für Textilien aus Naturstoffen, fällt Weißrußland damit als einstiger Hauptlieferant aus.

Die Ukraine verbietet seit 2015 außer für Feuerholz alle Holzexporte. Gegen den Leiter der nationalen Forstbehörde wird wegen der Veruntreuung von 30 Millionen Euro ermittelt. In den Karpaten herrscht anscheinend ein Holzraubbau, der von einer obskuren britischen NGO namens Earthside ohne große Beweisführung europäischen Importeuren und Verarbeitern angelastet wird.

Doch die angegriffene Gruppe Mondi, zu der auch die österreichische Frantschach und Neusiedler AG gehören, kann ebenso wie die anderen europäischen Holzunternehmen lückenlos nachweisen, daß es in seinen Werken kein illegal gefälltes Holz bezieht. In der Kiewer Rada wurde das Thema sofort zum Politikum. Denn im März nächsten Jahres wird der Präsident und im Oktober das Parlament gewählt. Die Mischung aus Korruption, Raubbau und Ausverkauf der nationalen Schätze sowie Oligarcheninteressen in der einheimischen Holz- und Möbelindustrie ist politisch explosiv.

Präsident Petro Poroschenko versprach EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zweimal, er wolle den rechtswidrigen Exportbann alsbald abschaffen. Doch nichts passierte, obwohl die EU großzügige Hilfen für die Forstwirtschaft in den Karpaten versprach: Gelder für die Aufforstung, für Forststraßen und für eine bessere Ausbildung der Förster und Waldarbeiter. Auch die EU-Importeure und -Verarbeiter hatten sich längst – auch im Eigeninteresse – zu nachprüfbaren Zertifizierungs- und Nachhaltigkeitskriterien bei ihren Holzeinkäufen verpflichtet. Mit dem Exportbann dagegen läuft alles wie früher in der Ukraine –  schief: Geld für neue Infrastruktur, für Gehälter im Forstdienst und für Expertisen im Waldmanagement fehlt.

Das einzige, was noch funktioniert, sind die Exporte von Hackschnitzeln in die Türkei und von Rundholz nach China. Für die großen Säge- und Holzbrikettwerke, die die Wiener Firma Schweighofer in der rumänischen Bukowina, dem Buchenland, sowie im sächsischen Kodersdorf errichtet hat, fehlen nun die geplanten Lieferungen aus dem ukrainischen Teil der Ostkarpaten, die mindestens in der Bukowina die Hälfte des nötigen Holzes ausmachen sollten. Hunderte Arbeitsplätze der zumeist ethnisch ungarischen Holzarbeiter sind  gefährdet. In Summe verliert die EU als Ergebnis der drei Importblockaden zehn Millionen Kubikmeter an Holzlieferungen, die 225.000 Lkw-Ladungen entsprechen. Jetzt müssen Holzpellets zur Ofenfeuerung aus den USA und Kanada importiert werden: Nicht gerade ein Beitrag zur ökologischen Nachhaltigkeit.

Hauptverband der Deutschen Holzindustrie:  www.holzindustrie.de