© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/18 / 09. November 2018

Feldbluse en vogue
Wie ihre olivgrüne Vorgängerin mausert sich die Flecktarnjacke der Bundeswehr zum Modestück
Gil Barkei

Generationen von jungen Männern haben in ihr keuchend geschwitzt oder bibbernd gefroren; und nicht wenige haben Blut in ihr vergossen: die Feldbluse der Bundeswehr.

Während sie zu Zeiten der Wehrpflicht freitags und sonntags noch zum gängigen Bild an jedem größeren deutschen Bahnhof gehörte, nahm ihre Präsenz im öffentlichen Raum in den vergangenen Jahren ab – schließlich fahren viele Berufssoldaten lieber mit dem eigenen Auto zum Dienststandort. 

Aktuell erfreut sich die Flecktarn-Oberbekleidung allerdings neuer Beliebtheit: als Freizeitdreß. Jedoch weniger bei konservativen, militärnahen Kreisen, die vielleicht noch die mahnenden Worte des Stabsunteroffiziers oder Fahnenjunkers aus der Grundausbildung im Ohr haben: „Kein Univil!“ Vielmehr haben junge urbane Hipster, Musiker und Künstler die Standardbluse der deutschen Armee für sich entdeckt: Als die etwas andere Jacke, luftig aufknöpfbar, mit praktischen Brusttaschen für die Selbstdrehkippen und lässig halbhochgekrempelten Ärmeln. 

Schon der olivfarbene Vorgänger hatte es zusammen mit dem Parka als ironisch-provokantes „Beute“-Kleidungsstück oder über günstige Reste-Abverkäufe in die Kleiderschränke von linken, die Bundeswehr eigentlich ablehnenden Milieus von Umwelt- bis Punkbewegung geschafft. Die kleine Deutschlandflagge an den Schultern oder zumindest das Gold natürlich oftmals entfernt. Wenig später rundete der simple weiße Hallenturnschuh der Truppe – ohne störende Markenlogos – das Oufit ab. Selbst „Friedensaktivisten“ liefen so oft mit den gleichen Klamotten herum, wie ihre als „Mörder“ beschimpften dienenden Altersgenossen. Doch auch immer mehr dem klassischen Herrenstil Zugewandte fanden Gefallen daran, die robuste Bluse zu schicken Hemden und farbenfrohen Chinohosen aufzutragen. Konnte man schließlich im Gegensatz zu den Linken betonen, sie wenigstens schon im Biwak übergestreift zu haben. Das olivgrüne Ehrenkleid wurde derart beliebt, daß die originalen Bundbestände fast alle vergriffen und selbst zweiter Hand größtenteils nur noch Kopien zu haben sind.

In Camouflage durch Berlin, Mailand und Paris

Teure Modemarken erkannten einen Trend und machten die Feldblusen unterschiedlicher Streitkräfte in Kombination mit Krawatte und Einstecktuch zur auffälligen Jackett-Alternative. Plötzlich liefen in Mailand, Florenz und Paris Männer mittleren Alters mit Sonnenbrille und Gelmatte zumindest obenrum in niederländischen, belgischen oder britischen Kampfanzügen zu feinen rahmengenähten Lederschuhen zum nächsten Geschäftstreffen oder durch die Instagram-Profile der Modewelt. Zu dem schlichten Oliv gesellte sich zunehmend das „bunte“ Potpourri der verschiedensten Tarnmuster.

Warum aber mehrere hundert Euro für ein Designer-Jackett aus alten US-Army-Beständen ausgeben, wenn die „eigenen“ Flecktarnjacken in vielen Second-Hand-Läden neben abgewetzten Trainingsanzügen zahlreich und günstig zu haben sind? Und so ist die „Bundi-Bluse“ dabei, sich endgültig in der Popkultur deutscher Großstädte zu etablieren. Von hier finden sie ihren Weg in andere europäische Länder. „Die Spanier kaufen mir den Laden leer“, lacht der Verkäufer eines Nato-Armyshops im Berliner Westen. 

Getragen wird die Feldbluse dabei von Männern wie Frauen, zu Glitzerstiefeln, Bootsschuhen oder einfach nur zu Flipflops. Bei einigen mag das immer noch im Widerspruch zu ihrer kritischen Meinung über Soldaten stehen, oft ist diese ideologische Aufladung aber gar nicht mehr vorhanden. Genau wie das Wissen, daß das deutsche Flecktarnmuster auf Entwicklungen des Münchner Professors Johann Georg Otto Schick für die Waffen-SS zurückgeht. 

Doch wenn dem ungezwungenen Umgang mit der deutschen Uniform ein ebenso unverkrampftes Verhältnis zu den sie im Einsatz tragenden Soldaten folgt, können steife Diskussionen über historische, ideologische oder geschmackliche Standpunkte getrost etwas vernachlässigt werden.