© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/18 / 23. November 2018

Lerne wählen, ohne zu quälen
Parteitag: AfD-Liste für Europa bleibt vorerst unvollständig / Spenden kein Thema
Christian Vollradt

Zumindest zahlenmäßig hat die AfD ihr Ziel nicht erreicht: Nur 13 Plätze ihrer bundesweiten Liste zur Wahl für das Europäische Parlament im kommenden Mai konnten die über 500 Delegierten beim Parteitag in Magdeburg besetzen. Für mehr reichte der Wahlmarathon von Freitag bis Montag nicht. Der Rest – die Rede ist von insgesamt 30 Plätzen – müßte dann im Januar bei der nächsten Zusammenkunft im sächsischen Riesa nominiert werden. Dabei steht da eigentlich die Beschlußfassung über das Wahlprogramm auf der Tagesordnung. 

Daß Demokratie anstrengend sein kann, hat die Partei wieder einmal unter Beweis gestellt. Einzelwahl jedes Listenplatzes, jeder Bewerber hat sieben Minuten Zeit für die Vorstellung, danach drei Fragen (per Los ausgewählt) à 30 Sekunden und je eine Minute Antwort. Dazu kommt, daß auch in einer Stichwahl nicht die relative Mehrheit zählte, sondern die absolute. So zogen sich die Wahlgänge zäh dahin ... 

Weil die AfD auf die sonst in Parteien üblichen Filterungen verzichtet, traten auch für die vorderen Listenplätze Bewerber an, deren Aussichtslosigkeit nach wenigen Sekunden am Mikrofon offenbar wurde. Die Quittung: Mancher erzielte lediglich ein einstelliges Ergebnis, auch die Stimmenzahl null kam vor. Dabei hatte Parteichef Gauland zu Beginn gemahnt: Das EU-Parlament sei kein Versorgungsposten, seriöse Oppositionspolitik brauche kompetentes Personal. Wer sich bewerbe, müsse auch den Anforderungen gewachsen sein. 

Noch ohne Gegenkandidat trat für den Spitzenplatz der Liste Gaulands Co-Vorsitzender Jörg Meuthen an, zur Zeit einziger EU-Parlamentarier der AfD. Er stellte sich als „konservativer, freiheitlicher Patriot“ vor und betonte, die AfD sei nicht antieuropäisch, wenn sie die aktuelle EU ablehne. „Wir sind die wahren Europäer“. Sein politisches Ziel sei es, diesen „schönsten aller Kontinente zu erhalten“. Dafür suche man Verbündete wie Heinz-Christian Strache (FPÖ), Matteo Salvini (Lega) und Victor Orbán (Fidesz). „Wir können, müssen und werden die Mehrheitsverhältnisse in Europa ändern“, rief Meuthen seinen begeisterten Parteifreunden zu und erhielt von ihnen über 90 Prozent der Stimmen. 

Dem Wirtschaftsprofessor folgte auf Platz zwei „der Steiger“, Bundesvorstandsmitglied Guido Reil, der in der Bewerbungsrede sein Image als Ruhrpott-Malocher und sozial Engagierter hervorkehrte. Auch die Wahl der Plätze 3 und 4 „flutschte“ – für AfD-Verhältnisse – noch. Dem Sachsen Maximilian Krah kam dabei zugute, daß er als Kandidat seines Landesverbandes vorgeschlagen wurde, eine paßgenaue Bewerbungsrede hielt und entsprechend von der Geschlossenheit „seiner“ Leute getragen wurde. Für Lars-Patrick Berg zahlte sich aus, daß er einerseits seine europapolitischen Erfahrungen hervorkehrte; andererseits machte ihn – obschon klar als moderat verortet – seine pointierte Rede auch für Exponenten des nationalkonservativen Flügels wählbar. Überhaupt hatten die Strippenzieher im Hintergrund fast nur dann Erfolg, wenn sie sich kompromißbereit zeigten. 

Bundestagsfraktion stellt sich hinter Alice Weidel

Weitgehend ausgeblendet wurde in Magdeburg die aktuelle Debatte um Parteispenden aus der Schweiz und den Niederlanden, die 2017 an die damalige Spitzenkandidatin Alice Weidel gegangen waren und später zurückgezahlt wurden (JF 47/18). Am Freitag hatte sich der AfD-Bundesvorstand mit einer Erklärung einmütig hinter Weidel gestellt. Man sehe bei ihr „keinerlei Verschulden“. Ausschlaggebend dafür war die entlastende Einschätzung des Staatsrechtlers Karl Albrecht Schachtschneider, der festgestellt hatte, die Rückzahlung des Geldes nach Monaten sei „nicht schuldhaft verzögert“, die geforderte „Unverzüglichkeit“ im juristischen Sinne gegeben. 

Auch in der Sitzung der Bundestagsfraktion blieben Attacken auf die Vorsitzende weitgehend aus. Die Fraktion stehe hinter Weidel, betonte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer, Bernd Baumann. Weidel habe sich – zum Teil emotional – geäußert, hieß es aus Teilnehmerkreisen. Bereits zuvor hatten Abgeordnete gegenüber der JUNGEN FREIHEIT gemeint, eine Führungsdebatte stehe nicht an: „Die Fraktion mag keinen Streit.“ Selbst der sächsische Abgeordnete Jens Maier, der nicht im Ruf steht, ein Weidel-Fan zu sein, meinte am Dienstag vor Journalisten, es sei fraglich, ob Weidel rechtlich überhaupt in dieser Sache verantwortlich gemacht werden könne.