© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/18 / 23. November 2018

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Totalitär verdreht
Paul Rosen

Es gibt viele Gründe für das Scheitern der Weimarer Republik. Einer war sicher die „negative Koalition“ der totalitären Parteien KPD und NSDAP, die im Reichstag seit Mitte 1932 eine Mehrheit hatten und diese auch für das gemeinsame Ziel, die Zerstörung der Demokratie, nutzten. 

Die NSDAP ist seit 1945 verboten, die KPD durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1956. Daß die Linksfraktion im Deutschen Bundestag jetzt an die Gründung der KPD mit einer „szenischen Lesung“ erinnern wollte, versetzte CDU/CSU und AfD in helle Aufregung. Sie verhinderten die im Foyer des Paul-Löbe-Hauses geplante Aktion. In dem Haus tagen die Ausschüsse des Bundestages und dort befinden sich auch Büros von Abgeordneten sowie die Ausschußsekretariate. Veranstaltungen von Fraktionen dürfen dort nur stattfinden, wenn andere Fraktionen keinen Widerspruch erheben.

Für ihre szenische Lesung hatte die Linksfraktion prominente Autoren gefunden: Unter anderem waren Dietmar Bartsch, Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht vorgesehen. Das Manuskript – es besteht aus Auszügen des KPD-Gründungsparteitages – hatte Luc Jochimsen, frühere Chefredakteurin des Hessischen Rundfunks (HR), erstellt. Sie hatte in ihrer damaligen Funktion dafür gesorgt, daß sich der HR das Prädikat „Rotfunk“ redlich verdiente. Später saß sie für die Linke im Bundestag und wurde 2010 sogar als Kandidatin der Linken für das Amt des Bundespräsidenten aufgestellt. Eine kritische Würdigung der KPD-Gründung und ihrer Folgen für die deutsche Geschichte war von Jochimsen nicht zu erwarten – und war auch von den Auftraggebern gewiß nicht erwartet worden. 

Selbst der CDU/CSU-Fraktion, die frühere Vorbehalte gegen die SED-Nachfolgepartei trotz eines zu Beginn der Legislaturperiode getroffenen Distanzierungsbeschlusses Zug um Zug aufgibt und sich um kollegiales Miteinander im Parlament bemüht, ging das zu weit, weil es sich bei der Lesung „um eine Parteiveranstaltung zu handeln scheint“. Wesentlich klarer argumentierte die AfD: „Die KPD wurde schon in der Weimarer Republik 1919 verboten. In der Bundesrepublik gab es 1956 ein erneutes Parteiverbot.“ Die geplante Veranstaltung der Linksfraktion sei ein „Festakt zur 100jährigen Gründung einer totalitären und antidemokratischen Partei“. In der Tat hatte die KPD kein Problem mit dem Einsatz von Gewalt gegen Andersdenkende. Für sie war die Oktoberrevolution in Rußland, in deren Folge Millionen von Menschen starben, ein großes Vorbild, dem es nachzueifern galt. Von der Demokratie hielt sie nichts. 

Das alles blendete Jan Korte, der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, in einer Stellungnahme in der taz aus. Er lobte die KPD, die doch „die Demokratie gegen den rechten Kapp-Putsch verteidigt (hat), während die Vorläufer der AfD und in Teilen auch der CDU die Republik zerstören wollten.“ Solche Geschichtsverdrehungen gab es zuletzt in der DDR und sollten im Bundestag keine unrühmliche Wiederauferstehung erleben.