© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/18 / 23. November 2018

Deutschsprachige gesucht
Arbeitsmarkt: Mangelnde Kenntnisse des Deutschen verhindern einen Berufseinstieg von Asylzuwanderern / Kein genereller Fachkräftemangel / Engpässe in Pflege- und Bauberufen
Christian schreiber

Auf dem Höhepunkt der Einwanderungswelle verstiegen sich zahlreiche Politiker zu der Hoffnung, mit der nichteuropäischen Zuwanderung den aus Wirtschaftskreisen oft beklagten Fachkräftemangel kompensieren zu können. Diese Erwartungen wurden abermals gedämpft.

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat in den vergangenen Wochen eine Befragung unter den Beratern und Vermittlern von Asylbewerbern und Kriegsflüchtlingen der Agenturen für Arbeit und Jobcenter durchgeführt. Dabei erklärten mehr als 90 Prozent der Befragten, die mangelhaften Sprachkenntnisse führten zu schlechteren Aussichten auf dem Arbeitsmarkt.

Keine Dokumente über berufliche Qualifikation

Daher waren die Jobcenter in der Vergangenheit stark darum bemüht, Einwanderer mittels Sprachkursen fit für das Berufsleben zu machen. Teilweise gab es Erfolge. Doch zeigt eine Studie des IAB, daß bei mehr als 70 Prozent der zuletzt Eingewanderten die berufliche Qualifikation fehlt.

Problematisch sei, daß die meisten Asylsuchenden völlig ohne Papiere kommen. Ende September 2016 hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mitgeteilt, daß nur zirka 40 Prozent der Flüchtlinge bei Asylantragstellung ein Identifikationsdokument vorlegen können. Die Zahlen hätten sich gebessert. Dennoch ist der Nachweis einer beruflichen Qualifikation ohne Papiere sehr schwer, wenn nicht gar unmöglich. Darüber hinaus kämen bei vielen auch Fragen wie der ungeklärte rechtliche Status oder ein Mangel an Kenntnis der hiesigen Gebräuche zum Tragen, erklärten die Befragten.

Bezüglich der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten haben IAB-Forscher in einer früheren Studie geschrieben: „Da Geflüchtete – aufgrund von Sprachbarrieren, dem schwierigen Zugang zu formalen Ausbildungszertifikaten und dem Wunsch nach zügiger finanzieller Eigenständigkeit – vielfach in Tätigkeiten mit geringem Anforderungsprofil einmünden, besteht die Gefahr, daß ihr Bildungspotential nicht ausreichend genutzt wird.“

Die Studie bestätigte zudem die Heterogenität der Herkunftsgruppen. Menschen, die beispielsweise aus Syrien, dem Iran und der ehemaligen Sowjetunion einwandern, stechen durch ein besonders hohes durchschnittliches Bildungsniveau hervor, während das Gegenteil auf andere Herkunftsgruppen, insbesondere aus Afghanistan, Somalia und Eritrea, zu trifft.

Aussagen über den Zusammenhang von Herkunft, Bildung und Aufenthaltsstatus ließen sich nur eingeschränkt treffen. Dies habe auch verwaltungstechnische Gründe. Die Bundesagentur für Arbeit registriert aus datenschutzrechtlichen Gründen nur die Staatsangehörigkeit und nicht den Aufenthaltsstatus.

„Wir haben also eine gewisse statistische Unschärfe, weil die Flüchtlinge nicht direkt in der Beschäftigungsstatistik erfaßt werden“, sagt Herbert Brücker, Leiter des Forschungsbereichs Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung des IAB.

Ein Flüchtling kostet den Staat bis zu 450.000 Euro

Im August 2018 seien etwa 188.000 Personen „im Kontext Fluchtmigration“ bei einer Arbeitsagentur oder einem Jobcenter arbeitslos gemeldet gewesen und etwa 617.000 im Leistungsbezug, erklärt das IAB. Lediglich etwa 254.000 oder knapp 29 Prozent der Personen aus den acht wichtigsten Asylherkunftsländern waren sozialversicherungspflichtig beschäftigt. In den Jahren 2015 bis 2017 stellten in Deutschland insgesamt knapp 1,4 Millionen Menschen einen Erstantrag auf Asyl.

Arbeit gibt es in Deutschland offenbar genug. Gastronomie- und Pflegebranche schlagen Alarm, fordern einen geregelten Zuzug in den Arbeitsmarkt. Doch die Mechanismen innerhalb der EU funktionieren nicht. Auch weil nichteuropäische Arbeiter offenbar billiger sind. Der deutsche Klinikkonzern Asklepios bildet seit einiger Zeit Krankenschwestern auf den Philippinen aus. Dabei liegt etwa die Arbeitslosenquote der 15- bis 24jährigen Griechen bei 43 Prozent. Der Asklepios-Vorstand aber klagte unlängst in einem Brief an die Bundesregierung: „Leider ist die personelle Kapazität der deutschen Botschaft in Manila nicht ausreichend, um die vielen Visumsanträge zeitgerecht zu bearbeiten.“ Die Bearbeitungsdauer war zuvor von drei auf fünf Monate heraufgesetzt worden.

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) sieht aber nach wie vor keinen generellen Fachkräftemangel. Betroffen seien vor allem Bau- und Pflegeberufe sowie Techniker, schrieb die BA in ihrer jüngsten Engpaß-Analyse. Die durchschnittliche Zeit des Leerstandes für Stellen in den Bereichen Klempnerei, Sanitär, Heizung und Klima habe sich von 156 Tagen auf 183 Tage innerhalb eines Jahres stark erhöht.

Um die langfristigen Auswirkungen der Einwanderung auf den Arbeitsmarkt streiten sich unterdessen die Experten. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung stellte schon im Herbst 2015 in einer Studie verschiedene Szenarien auf, die auch die staatlichen Ausgaben berücksichtigen. Selbst in der pessimistischsten von drei Annahmen gibt es demnach positive Effekte – allerdings erst ab dem Jahr 2025. Positive Effekte beim Pro-Kopf-Einkommen gibt es demnach spätestens 2028. Voraussetzung sei dafür aber eine hohe Produktivität der Flüchtlinge. Nur dann bestehe die Chance, daß es langfristig zu einer Entlastung der öffentlichen Haushalte komme.

Der Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen ist dagegen völlig anderer Meinung: Im Schnitt könne ein Flüchtling die Gesellschaft im Laufe seines Lebens bis zu 450.000 Euro kosten, berechnete er laut der Heilbronner Stimme. Der Grund für Raffelhüschens Skepsis: die angesprochene geringe Bildung.

Fachkräfteengpaßanalyse der BA

 www.statistik.arbeitsagentur.de/