© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/18 / 23. November 2018

Zeitschriftenkritik: Bibliotheksmagazin
Lenis Nachlaß und andere Schätze
Dirk Glaser

Opulent bebildert, Großformat, hundert Seiten  und – kostenlos: seit 2006 erscheint das Bibliotheksmagazin, die gemeinsame Zeitschrift der Staatsbibliotheken in München und Berlin. Auch das druckfrische dritte Heft des Jahrgangs 2018 bietet die gewohnte Fülle von Beiträgen, die einmal mehr zeigen, daß in beiden Häusern nicht „nur“ Bücher gebunkert, gelesen, ausgeliehen werden. Bücher sind zwar ihr Kerngeschäft, bestimmen aber nicht exklusiv ihren Rang als Dienstleister der Wissenschaft und Schatzkammern des Geistes. Mindestens so wichtig sind Handschriften, Musikalien, Nachlässe. Über diese Objekte des Sammelns und Bewahrens, primär über Neuerwerbungen, berichtet das Magazin am häufigsten. Nicht zuletzt, um die Spendenfreudigkeit der jeweiligen „Freunde der Staatsbibliothek“ wachzuhalten. Ohne privates Engagement könnten München und Berlin im Antiquariatshandel oder bei Auktionshäusern ihre Altbestände nicht ergänzen, da  angesichts radikal gekürzter staatlicher Kulturetats das Geld oft nicht einmal reicht, um die Abonnements gängiger Zeitschriften zu verlängern.

Teils unspektakulär über Antiquariate, teils „auf abenteuerlicheren Wegen“  gelangten seit 2015 482 neue arabische, osmanisch-türkische und persische Handschriften in die Regale der Berliner Orientabteilung. Besonders abenteuerlich klingt die Überlieferungsgeschichte einer Sammlung aus dem Besitz eines italienischen Bauunternehmers, der 1970 über Nacht vom Gaddafi-Regime ausgewiesen wurde, seine Handschriften beim fluchtartigen Aufbruch aber rettete. Weniger dramatisch, dafür pekuniär ähnlich aufwendig, war der Erwerb einer zum Michaelistag 1724 komponierten Kantate Johann Sebastian Bachs. Zu ihrer Präsentation in der Musikabteilung der Berliner Staatsbibliothek, die mittlerweile achtzig Prozent aller Bach-Autographen, darunter die h-Moll-Messe, besitzt, eilte sogar Monika Grütters herbei, die als Bundesbeauftragte für Kultur und Medien den Ankauf mitfinanzierte.

In den Schatten gestellt werden alle Reporte über aktuelle Erwerbungen von einem Beitrag, der lakonisch-liebevoll mit „Leni“ überschrieben ist. Sein Verfasser ist Hanns-Peter Frentz, der scheidende Leiter der Bildagentur der Berliner Staatsbibliothek. Über dessen familiären Hintergrund erfährt man einige Seiten weiter nur, in einer Laudatio der wie stets politisch überkorrekten Generaldirektorin Barbara Schneider-Kempf, daß sein Vater „Kameramann und Fotograf“ gewesen sei. Witzig, denn genauer gesagt war Walter Frentz, „das Auge des Führers“, der Kameramann Leni Riefenstahls (1902–2003), deren „sehr gut geordneten Nachlaß“ sein Sohn Ende 2017 vom Starnberger See nach Berlin brachte. Der in vier Hauptgruppen – Filme, Fotografien, Akten, Bücher –  unterteilte Nachlaß, transportiert in 700 Umzugskartons, soll zunächst archivalisch erfaßt werden, bevor die inhaltliche Erforschung beginnt. 

Kontakt: Bibliotheksmagazin. Mitteilungen aus den Staatsbibliotheken in Berlin und München, c/o Staatsbibliothek zu Berlin, Zentralabteilung Publikationen, Potsdamer Str. 33, 10785 Berlin

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