© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/18 / 30. November 2018

„Keinerlei rechtsändernde Wirkung“
UN-Migrationspakt: Gemeinsamer Resolutionsentwurf der Großen Koalition bekräftigt die deutsche Souveränität / Kritiker sprechen von „Augenwischerei“
Jörg Kürschner

Mit einem gemeinsamen Resolutionsentwurf zum Migrationspakt will die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD Befürchtungen der wachsenden Zahl ihrer Kritiker begegnen, das UN-Papier werde die deutsche Rechtsprechung verändern und zu mehr Migration nach Deutschland führen. Für die oppositionelle AfD ist der Entwurf dagegen eine „komplette Täuschung“, wie ihr Berliner Bundestagsabgeordnete Gottfried Curio formulierte. Die Fraktion hält stattdessen eine Protokollerklärung der Bundesregierung für erforderlich, wie sie in ihrem Antrag deutlich machte.

In dem Koalitionsentwurf heißt es: „Der Deutsche Bundestag stellt vor diesem Hintergrund fest, daß der Bundestag rechtsändernde oder rechtssetzende Entscheidungen zur Migration trifft.“ Auch soll garantiert werden, daß der UN-Migrationspakt „keine einklagbaren Rechte und Pflichten“ begründe und „keinerlei rechtsändernde oder rechtssetzende Wirkung“ habe. Zugleich wird die Bundesregierung aufgefordert, weiter klar zwischen legaler und illegaler Migration zu unterscheiden, den EU-Außengrenzschutz zu verbessern und bei Herkunftsstaaten auf eine Rücknahme illegaler Migranten zu drängen.

Zunächst wollte die Koalition den Migrationspakt ohne vertiefte innenpolitische Diskussion Mitte Dezember in Marrakesch unterzeichnen. Das rechtlich als nicht verbindlich bezeichnete Abkommen soll Flucht und Migration besser organisieren. In den letzten Wochen stieg jedoch die Zahl der Staaten, die den Pakt ablehnen. Darunter sind die USA, Australien, Israel, Polen, Ungarn, Österreich, Tschechien, die Schweiz und die Slowakei. Warnungen der AfD, die in dem Papier formulierten Verpflichtungen könnten Deutschland in ein „Siedlungsgebiet“ verwandeln, wurden als „rechte Verschwörungstheorie“ abgetan. 

AfD fordert eine „Protokollerklärung“

Doch das Argument der Koalition, das Abkommen sei rechtlich nicht bindend, verfing nicht. Im Gegenteil. In der Unionsfraktion wuchs das Unbehagen. Prominentester Kritiker war der frühere Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU). „Das öffnet dem Flüchtlingsstrom nach Deutschland Tür und Tor. Das Argument, das sei rechtlich nicht bindend, halte ich für Schall und Rauch.“ Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (CDU), warf der Regierung eine schlechte Informationspolitik vor. Außenminister Heiko Maas (SPD) widersprach.

Die Kritiker fühlten sich zugleich bestätigt durch die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Sie erklärte zu Wochenbeginn ohne Umschweife, daß die Bundesregierung sofort mit der Umsetzung beginnen müsse, da nur so die Rechte von Migranten sichergestellt werden könnten. Und schließlich setzte der CDU-Kandidat für den Parteivorsitz, Jens Spahn, durch, daß der Parteitag Mitte Dezember über den Pakt diskutiert (siehe oben). Und das Unbehagen stieg noch, als bekannt wurde, daß das Auswärtige Amt insbesondere in der Schlußphase der UN-Verhandlungen engagiert am Zustandekommen migrationsfreundlicher Passagen des Papiers beteiligt war, wie der AfD-Parlamentarier Martin Hebner nach einem Gespräch im Ministerium berichtete.

Dessen Fraktionskollege Curio hält die Koalitionsentschließung des Bundestages für Augenwischerei, da diese eine völkerrechtliche Verbindlichkeit des Migrationspakts nicht verhindern könne. Dafür bedürfe es vielmehr einer Protokollerklärung der Bundesregierung, die bei den Vereinten Nationen hinterlegt werden müsse. Der AfD-Antrag sei zurückhaltend formuliert und damit ein „niedrigschwelliges Angebot“ an Unions-Kollegen, diesem am Donnerstag zuzustimmen.