© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/18 / 30. November 2018

Ländersache: Berlin
Eine Senatorin zeigt die kalte Schulter
Björn Harms

Der Hitzesommer ist längst vorüber, der Winter steht vor der Tür, und die Nächte werden frostiger. Gerade in Berlin sorgt das für gravierende Probleme. Denn die Zahl der Obdachlosen in der Hauptstadt hat sich in den letzten Jahren vervielfacht, vor allem durch Einwanderer aus östlichen EU-Ländern. Laut aktuellen Schätzungen leben zwischen 8.000 und 10.000 Menschen in Berlin auf der Straße. Die polnische Botschaft vermutet, daß rund 2.000 von ihnen aus Polen stammen.

Für die Unterbringung in Notunterkünften sind die Bezirke zuständig, doch die Ämter haben längst nicht mehr genügend Plätze. Bedürftige müssen fortgeschickt werden. Zeitgleich warten noch immer rund 4.100 Studenten auf einen Wohnheimplatz, wie das Studierendenwerk mitteilt. Ein naheliegender Vorschlag der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe: Die freistehenden Plätze in Flüchtlingsheimen nutzen laut Senatsverwaltung immerhin 3.000. Doch Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) blockte ab: „Wir brauchen die Unterkünfte für Flüchtlinge“, betonte sie im RBB. Der Leerstand in den Heimen sei nur vorübergehend und begründe sich durch Umbauarbeiten. Zudem seien 1.800 Plätze in den Wohnanlagen wegen juristischer Auseinandersetzungen oder baulicher Mängel nicht belegbar.

Tatsächlich stehen der Nutzung auch rechtliche Gründe im Weg. Viele Containerbauten sind nach dem „Sonderbaurecht für Flüchtlinge“ errichtet worden – ein in Berlin erfundener juristischer Begriff, wonach in den ersten drei Jahren des Betriebs ausschließlich Flüchtlinge in diesen Unterkünften wohnen dürfen. Die Regelung gilt noch bis zum 31. Dezember 2019. Der Einzug von Nicht-Flüchtlingen wäre somit eine Nutzungsänderung, die einer Genehmigung durch die Bezirksämter bedarf – was in Berlin dank Überlastung der Behörden bekanntlich dauern kann.

Im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hingegen werden demnächst rund 100 Übernachtungsquartiere für Obachlose frei – in einem Gebäude, das über die Jahre zu zweifelhaftem Ruhm gelangte. Die frühere Gerhart-Hauptmann-Schule war von 2012 bis 2017 von illegalen Einwanderern, Obdachlosen und Linksextremen besetzt worden. Das von den Grünen geführte Bezirksamt duldete die Besetzung und zahlte für den Unterhalt des Gebäudes sowie für einen Wachschutz über fünf Jahre lang mehr als fünf Millionen Euro. Ausziehen wollten die neuen Bewohner nicht.

Zwischenzeitlich bot der Bezirk den Hausbesetzern verzweifelt Gutscheine für einen einmonatigen Hostel-Aufenthalt an, wenn sie nur das Gebäude freiwillig verlassen. Ende Januar 2018 war der Spuk schließlich beendet. Doch Geld floß offenbar weiter. Bis zu 60.000 Euro überwies das Bezirksamt an das Landesamt für Flüchtlinge (LAF), um die letzten neun Besetzer aus der Hauptmann-Schule unterzubringen, wie die B.Z. herausfand. Doch das LAF muß Flüchtlingen ohnehin Unterkunft anbieten. Wofür also wurde das Geld ausgegeben? Plötzlich spricht der zuständige Stadtrat nur noch von „wohnungslosen Menschen“, und es wird klar: Die letzten Besetzer waren offenbar gar keine Flüchtlinge. Für die neun wohnungslosen Menschen sei der Bezirk also verpflichtet gewesen, „eine Unterbringung zu prüfen und zu organisieren“, wie in „allen anderen Fällen einer Zwangsräumung“ auch.