© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/18 / 30. November 2018

Abmahnen und Absahnen
Deutsche Umwelthilfe: Das Image der selbsternannten Naturretter bröckelt
Marco F. Gallina

Die Pressemitteilung der Deutschen Umwelthilfe (DUH)  gleicht einer Siegesmeldung:  „Deutsche Umwelthilfe erwirkt erstes Autobahn-Diesel-Fahrverbot“. Ein Triumph für den Geschäftsführer Jürgen Resch. Jahrelang galt die DUH als grüner David im Kampf gegen den Goliath der vereinten Autobarone. Sie trat für das Dosenpfand ein, gegen Luftverschmutzung in den Städten, für die Kennzeichnung von Geräten durch Energieausweise. Das Bild hat mittlerweile Risse bekommen – und das nicht erst seitdem mit einem möglichen Verbot auf der A40 die Lebensader des Ruhrgebiets im infrastrukturell taumelnden Nordrhein-Westfalen durchschnitten werden soll. 

Radikalisierung verprellt Förderer

1975 gegründet, sollte der Verein als reine Spendensammelstelle des BUND dienen. Hermut Ruland, Mitbegründer der DUH, entdeckte die Industrie als Geldgeber. Sein Assistent Resch beerbte ihn 1988 als Bundesgeschäftsführer. 

Jahrelang fußte der Etat auf großzügigen Spenden aus der Wirtschaft. Der Deal: die Firmen zahlen und erhalten dafür ein ökologisches Image. Langjährige Gönner wie Unilever oder C&A bekamen sogar eine DUH-Auszeichnung für ihre besonders „nachhaltigen“ Produkte. Daß allerdings Unternehmen wie  Toyota, die Partikelfilterhersteller HJS und Twintec sowie der Pfandautomatenhersteller TOMRA ganz eigennützige Ziele umtreiben könnten, hatte in der Vergangenheit erste Zweifel an den DUH-Kampagnen aufkommen lassen. 

Die zunehmende Radikalisierung der DUH verprellte immer wieder wichtige Vertreter aus der Wirtschaft. Anfang der Woche titelte die Westfalenpost: „Krombacher stoppt Zusammenarbeit mit der Umwelthilfe“. Die Privatbrauerei lasse die Zusammenarbeit auslaufen. Bereits in diesem Jahr seien keine Gelder mehr an den gemeinnützigen Verein geflossen, sagte Brauerei-Sprecher Franz-Josef Weihrauch auf Nachfrage der Westfalenpost und ergänzte: „Zudem ist keine weitere Zusammenarbeit mit der DUH geplant.“ Gründe für die Beendigung der Zusammenarbeit habe Weihrauch nicht genannt. 

In seinem Kreuzzug überwarf sich Resch bereits 2005 mit dem langjährigen Partner Daimler. Das aggressive Auftreten der DUH sorgte dafür, daß sich 2017 die Telekom als Partner und Sponsor zurückzog. Das bedeutete nicht nur den Wegfall einer sechsstelligen Jahresspende, sondern auch den Verzicht auf die Veranstaltung des von der DUH vergebenen Umwelt-Medien-Preises.

Daß Resch und Co. trotz Loslösung von ihrer wirtschaftlichen Verflechtung die Einnahmen vergrößern konnten, ist nicht allein auf das Abmahngeschäft zurückzuführen, das der Verein seit 2004 ausübt. 2,5 Millionen Euro nahm die DUH über Abmahngebühren ein. Beginnend mit der rot-grünen Regierung in Berlin entdeckte die DUH zugleich den Steuerzahler als Geldquelle. Projektzuschüsse – das heißt vom Staat und Stiftungen vergebene Gelder für Programme der DUH – machten 2002 nur 525.000 Euro der Einkünfte aus. 2015 verbuchte die DUH dagegen schon drei Millionen Euro, die von öffentlicher und privater Hand per Zuschuß überwiesen wurden.

Von 2003 bis 2017 flossen über zehn Millionen Euro von Berlin nach Radolfzell, seit 2013 erhält die DUH rund eine Million jährlich aus Bundesmitteln – ein Achtel der Gesamteinnahmen stammen also direkt aus dem Beutel der Bundesbürger. Kommunen, Länder und EU nicht einberechnet. Denn seit Jahren klagt sich die DUH  durch Gemeinden und Städte. 29 Städte sitzen derzeit auf der Anklagebank.

Die DUH beruft sich dabei auf nicht eingehaltene Stickoxidwerte. Diese hat die EU festgelegt. Daß die Deutschen die Vorgaben übererfüllen, ist erst seit kurzer Zeit Thema. Während in Deutschland 250 Meßstationen stehen, sind es in Griechenland neun. Und während die Deutschen besonders nah an der Straße messen, findet sich die eine oder andere Station in der EU in meterweiter Entfernung. Als Zeche zahlen der verklagte Staat und die geprellten Dieselfahrer Unsummen für DUH-Projekte wie „Stadtgrün wertschätzen“ (Fördersumme: 225.000 Euro), „Stärkung nachwachsender Rohstoffe im Dämmstoffmarkt“ (470.000 Euro) oder „Forum Netzintegration Erneuerbare Energien“ (1,6 Millionen Euro). Insgesamt bringt es die DUH auf 74 Projekte, ausgeschrieben von den Bundesministerien für Entwicklung, Ernährung, Forschung, Wirtschaft und – ganz vorne – Umwelt (BMU). 

Neben den dicken Fischen finden sich darunter auch kleine Perlen wie „Gärten der Integration“, bei denen die zeitgeistigen Themen von Migrationseuphorie und ökologischem Überbewußtsein miteinander verwoben werden. Als Finanzier des Projekts zeigt sich mit 123.000 Euro die Bundesstiftung Umwelt (DBU) verantwortlich, deren Kapital sich bis heute aus der Auflösung der staatlichen Salzgitter AG von 1990 speist. Vorsitzende der Stiftung: Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD), zugleich Parlamentarische Staatssekretärin des Umweltministeriums. Es ist nicht das erste von der DBU finanzierte Projekt der DUH aus einem Kapitalstock, den man einmal „Volksvermögen“ genannt hätte.

Zufälle wie diese gibt es einige. Der König der Zufälle, wenn es um Verbindungen zwischen Regierung und DUH geht, heißt Rainer Baake. 1998 berief der damalige Umweltminister Jürgen Trittin Baake ins BMU. Baake war federführend bei der Einführung des Emissionshandels und Dosenpfands sowie dem (ersten) Ausstieg aus der Atomenergie. Schon damals bekam er den Titel eines „Managers“ der Energiewende. Nach dem Ende von Rot-Grün wurde Baake 2006 Geschäftsführer der DUH. Er blieb es bis 2012. Ende 2013 berief ihn der neue Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel in sein Ministerium. Gabriel hatte bei seiner Politik der Energiewende nicht auf Baake verzichten wollen. Daß ein Staatssekretär mit grünem Parteibuch im roten Ministerium Karriere machte, schmeckte auch einigen Genossen damals nicht.

Neben Baake gibt es weitere Kontaktleute, die allesamt Karriere im damaligen BMU machten und heute an verschiedenen Schaltstellen von Politik und NGOs sitzen. Neben Baake wäre da Jochen Flasbarth zu nennen: langjähriger Präsident des NABU und ab 2003 Abteilungsleiter im BMU. Weniger bekannt ist, daß Flasbarth Mitbegründer des Verkehrsclub Deutschland (VCD) ist. Anders als der Name suggeriert, ist dieser als „ökologischer“ Verband gegen den Verkehr gerichtet, wenn er nicht Fahrräder oder den ÖPNV meint. VCD und DUH sind Verbündete im Kampf gegen den Individualverkehr und gehören beide dem europäischen Dachverband „Transport and Environment“ (T&E) an. 

2004 zog noch ein weiterer VCD-Mann ins BMU ein: Christoph Erdmenger, damals Fachleiter im Bundesumweltamt (UBA). Erdmenger sitzt heute als Abteilungsleiter im grünen Verkehrsministerium Baden-Württembergs. Der dortige Ministerialdirektor ist ebenfalls kein Unbekannter: Uwe Lahl, der zu Trittins Zeiten denselben Posten im BMU innehatte. Flasbarth sitzt dagegen bis heute im BMU. Als Staatssekretär. 

„Plötzlich“ steht VW in den USA unter Druck 

Die bedeutsamsten Mitglieder der „Trittin-Connection“ sind Baake und Flasbarth. Sie standen oder stehen  ökologischen Thinktanks, die eine grundlegende Änderung der Wirtschafts-, Verkehrs- und Energiepolitik in Deutschland und Europa wollen, vor. Sie tragen plakative Namen wie „Agora Energiewende“ und „Agora Verkehrswende“. Beide Organisationen waren Baakes Kind, bevor er in die Politik zurückkehrte. Flasbarth ist bis heute Chef der „Verkehrswende“ und Mitglied im „Rat der Agora Energiewende“. In diesen „Räten“ sitzen außerdem noch andere hochrangige Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Medien. Bei der „Verkehrswende“ reden regelmäßig Anton Hofreiter (Fraktionsvorsitzender der Grünen), Winfried Herrmann (Verkehrsminister, Baden-Württemberg) und Alexander Möller (Geschäftsführer ADAC) miteinander.

Hinter Agora, dem VCD und der DUH wartet allerdings noch ein Geldgeber: die millionenschwere ClimateWorks Foundation, eine US-Stiftung, die von der Hewlett-Stiftung ins Leben gerufen wurde. Startkapital: 500 Millionen Dollar. Ein Ausschuß des US-Senats kam im Juli 2014 zur Einschätzung, daß Hewlett als eigentliches „Schlüsselelement“ der globalen grünen Bewegung zu verstehen sei. Großzügig schüttet ClimateWorks seine Gelder in der Welt aus. Der DUH überwies sie 2011 über 800.000 Dollar. Weitere Zuschüsse folgten. Die Jahresspende Toyotas von 60.000 Euro sind dagegen Peanuts. ClimateWorks stiftet nicht nur Gelder, sondern rief auch Baakes Agora-Projekt aktiv ins Leben. In Europa ist ihre Tochterorganisation European Climate Foundation tätig.

Einer, der solche Fakten sammelt, ist Mario Mieruch. „Es hat sich im Hintergrund ein Netzwerk von Organisationen mit festen Ankerpunkten in den Ministerien etabliert, um ganz eigenen Gesellschaftsvorstellungen und -ideologien voranzutreiben“, erklärt Mieruch. Der fraktionslose Bundestagsabgeordnete kennt da noch einen Namen, der in der DUH-Affäre eine Rolle spielt: Axel Friedrich. Der war 27 Jahre lang Abteilungsleiter des Umweltbundesamtes. Zu Trittins Zeiten bereits eine Graue Eminenz, ist seine Sympathie für die DUH kein Geheimnis. Nach seinem Rausschmiß 2007 arbeitet er heute als Sachverständiger bei der Umwelthilfe. Auch Friedrich ist Gründer einer Organisation, nämlich des International Council on Clean Transportation (ICCT). Es ist dieser ICCT, der 2015 den VW-Skandal in den USA erst publik machte. 

Wieder einer der Zufälle im Geflecht ökologischer Institutionen und Umweltlobbys; so zufällig, wie die Finanzspritzen, die der ICCT von ClimateWorks erhielt. Letztere stachelte in einem geleakten Dokument von 2015 dazu an, aus dem VW-Betrug Kapital zu schlagen.