© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/18 / 30. November 2018

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Neuerdings stutze ich jeden Morgen einen kleinen Moment lang auf dem Weg zur Arbeit. Grund dafür ist ein großflächiges Plakat am Straßenrand, das „Weihnachten zum Aldi Preis“ verheißt. In der Bahn dann lese ich auf einem Werbebanner: „Exklusiv für Vattenfall Kunden“. Und frage mich, wer zum Teufel hat warum sowohl dem Aldi-Preis als auch den Vattenfall-Kunden den Bindestrich geklaut. Das Phänomen hatte einst schon der Sprachkritiker Bastian Sick in seiner legendären Spiegel-Online-Kolumne „Zwiebelfisch“ aufgespießt. Bereits 2004 klagte er über im öffentlichen Raum verwendete Schreibweisen wie „Milch Kaffee“, „Geschirr Rückgabe“, „Auto Wäsche“, „Kosmetik Studio“ oder „Kunden Parkplatz“. Nun, sehen wir einmal davon ab, daß diese Wortverbindungen korrekterweise zusammengeschrieben gehörten. Die immer weiter um sich greifende Unsitte, Komposita durch ein Deppenleerzeichen zu trennen, ist ein echtes Ärgernis.


„Eine Gesellschaft, zu deren Kultur die Affirmation von so ziemlich allem gehört, was als ‘Kultur’ daherkommt und für die die Vorstellung, daß es kulturell Minderwertiges gibt, ein geradezu ketzerischer und skandalöser Gedanke ist, hat im Grunde jede Kritik von Kultur aufgegeben, auch wenn sie die Kulturkritik nach wie vor als leere Monstranz vor sich herträgt. Kultur wird so zur Nullformel, die, eben weil sie inhaltsfrei und beliebig ist, auch das Trivialste adelt.“ – Aus meiner Leküreempfehlung dieser Woche: „Kulturpessismus. Ein Plädoyer“ von Alexander Grau (zu Klampen Verlag, Springe 2018, 16 Euro). Darin reflektiert der Kultur- und Wissenschaftsjournalist einen aufgeklärten Kulturpessimismus, den er als „politische Chance“ begreift: „Er zerreißt den Vorhang autoaggressiver Selbstgefälligkeit, in der die westlichen Gesellschaften sich eingerichtet haben, und macht den Blick frei auf ihre Verfaßtheit und ihren inneren Zustand.“


Vorigen Samstag auf der Jobmedi, der Berufsinformationsmesse für Gesundheit, Pflege & Soziales. Über einhundert Unternehmen präsentieren sich im Palais am Funkturm mit ihrem Firmenprofil sowie aktuellen Stellen-, Aus- und Weiterbildungsangeboten. Wie hart umkämpft der Personalmarkt ist, zeigt beispielsweise der Pflegedienst AlexA (Eigenschreibweise). Er wirbt auf einer Stelltafel mit fünf Punkten für sich als Arbeitgeber, von denen wenigstens drei leidlich skurril anmuten: Baby- und Hochzeitsgeschenk, Mitarbeiter-Events, Fitness- und Wohlfühlangebote. Immerhin: „Pünktliche Gehaltszahlungen “ werden auch offeriert