© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/18 / 30. November 2018

Knapp daneben
Selbstverantwortung für die Bildungskarriere
Karl Heinzen

Marie-Helen S. ist ein 14jähriges Mädchen aus gutbildungsbürgerlichem Hause. Ihre Mutter unterrichtete früher Latein und Englisch. Dann machte sie sich gemeinsam mit ihrem Mann als Musikerin selbständig. Die in Nordfriesland lebende Familie besitzt zwei Pferde. Im örtlichen Turnverein leitet Marie-Helen eine Gruppe, mit der sie sogar Wettbewerbe gewinnen konnte. Fast möchte man meinen, sie lebte ein ganz normales angepaßtes Leben wie so viele andere auch. Doch das ist weit gefehlt. Marie-Helen ist eine Rebellin. Vor gut zwei Jahren bemerkte sie, daß die Schule eine Zwangsanstalt ist, die ihren Bildungsauftrag verfehlt. Seit Januar 2017 bleibt sie dem Unterricht fern und lernt zu Hause.

Nun jedoch hat sich die Justiz des Falls angenommen, und ihre Mühlen mahlen unerbittlich. Marie-Helens Mutter mag noch so sehr darauf verweisen, daß sie ihr Kind ja nicht zur Schule prügeln kann. Der Staat wird sie wie eine Geisel bestrafen, um die Tochter zum Einlenken zu zwingen.

Wenn man die Bildungsziele ernst nehmen würde, würde man Wert auf die Ausstattung der Schulen legen.

Doch was immer auch geschieht, ändert nichts daran, daß Marie-Helen in der Sache recht hat. Unsere Schulen sind heruntergekommene Zuchthäuser, in denen Kinder und Jugendliche eingesperrt werden, um sie zu indoktrinieren, während ihre Eltern gefälligst einer Berufstätigkeit nachzugehen haben. Alle vollmundigen Bildungsziele sind nur vorgetäuscht. Wäre es anders, würde man Wert auf die Ausstattung der Schulen und die Qualität von Lehrern und Lehrmitteln legen. Wer zu Hause lernt, entwickelt hingegen Selbstverantwortung für die eigene Bildungskarriere. Kein der Pension entgegenfiebernder Lehrer, dessen langweiliger Unterricht einen nervt. Kein gestörter Mitschüler, der einen ablenkt. So bleibt die Motivation hoch, und das Lernziel wird tatsächlich erreicht. Wer nicht zur Schule geht, schleppt auch keine Krankheiten nach Hause und gerät nicht in die Fänge von Drogendealern, die ihm auf dem Heimweg ihren Stoff andrehen wollen. Vorsicht daher vor allen, die meinen, unsere Gesellschaft müsse mehr in „Bildung“ investieren. Was immer sie auch damit bezwecken mögen, das Wohl der Jugendlichen ist es nicht.