© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/18 / 07. Dezember 2018

„Im besten Hörsaal, zur besten Zeit“
Linksextremismus: Die Rufmordkampagne gegen den Historiker Jörg Baberowski erreicht einen neuen Höhepunkt
Björn Harms

Der trotzkistische Studentenbund IYSSE („International Youth and Students for Social Equality“) will eine gewichtige Frage beantwortet wissen: „Warum sind Faschisten sieben Jahrzehnte nach dem Fall des Dritten Reiches wieder da?“ fragen sie in einer Veranstaltungsankündigung für den 11. Dezember. Schließlich würde „der Aufstieg der AfD und das immer dreistere Auftreten von Neonazis“ Millionen von Menschen empören. Die Antworten darauf soll es im altehrwürdigen Hauptgebäude der Humboldt-Universität zu Berlin geben, wo Christoph Vandreier, stellvertretender Vorsitzender der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP), an diesem Tag sein gleichnamiges Buch („Warum sind sie wieder da?“) vorstellt. 

Die SGP wird im aktuellen Verfassungsschutzbericht dem Bereich „Linksextremismus“ zugeordnet. Demnach folgt sie „der traditionellen trotzkistischen Theorie von einer sozialistischen Revolution“ und richtet sich „gegen die bestehende staatliche Ordnung“. Nicht zum ersten Mal muß sich die Berliner Universitätsleitung damit den Vorwurf gefallen lassen, Linksextremisten unwidersprochen zu hofieren. „Kriminelle Stalinisten dürfen ihre Gewaltphantasien und ihren Haß im besten Hörsaal, zur besten Zeit aufführen, ohne daß die Universitätsleitung dagegen einschreitet“, beschwert sich auf Twitter auch der Historiker Jörg Baberowski, der seit 2002 den Lehrstuhl für die Geschichte Osteuropas an der HU innehat.

Doch rein formal ist gegen die Vergabe eines Hörsaals zunächst nichts einzuwenden. Die IYSSE ist eine hochschulpolitische Gruppe, die bei der Wahl des Studierendenparlaments der HU 2018 zwei Sitze errungen hat. Somit hat auch sie – auf Basis der Verwaltungsvereinbarung – einen Anspruch auf Räumlichkeiten für Veranstaltungen. Doch die Dreistigkeit, mit der die Linksextremisten gleichzeitig renommierte Wissenschaftler diffamieren, verblüfft dennoch. Denn in den Augen der Trotzkisten ist Baberowski selbst Teil des „faschistischen Problems“. In der Ankündigung zur Veranstaltung heißt es: „An den Universitäten werden die Verbrechen der Nazis verharmlost. Rechtsextreme Professoren wie Jörg Baberowski werden vehement gegen studentische Kritiker verteidigt.“ 

Der Vorwurf des Rechtsextremismus ist dabei nur der jüngste Höhepunkt einer schon länger laufenden Rufmordkampagne gegen den Historiker. Die winzige Gruppe von Trotzkisten – ihre Mitgliederzahl liegt im niedrigen zweistelligen Bereich – greift den 57jährigen bereits seit längerem massiv an – und das mit fragwürdigen Methoden. In Flugblättern, die im vergangenen Jahr vor der Universität verteilt wurden, warf man Baberowski vor, gegen „Flüchtlinge zu hetzen, für brutale Kriege zu trommeln und Nazi-Verbrechen zu verharmlosen“. Beweise blieben die Trotzkisten freilich schuldig. Stattdessen rissen sie einzelne Zitate aus dem Zusammenhang, um Baberowski in ein schlechtes Bild zu rücken. „Die Kampagne zerrüttet mein Privatleben“, beklagte sich Baberowski damals in der Zeit. Es vergehe kein Tag, an dem er nicht daran denke. „Und das wissen diese Leute auch ganz genau.“

„Universität sollte Professoren schützen“

Wie aber positioniert sich die Universität im aktuellen Fall? Und wie gedenkt sie ihren Professor gegen die Vorwürfe des Rechtsextremismus zu schützen? Auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT  verweist ein Pressesprecher auf ein Urteil des Landgerichts Köln. Das hatte in einem Rechtsstreit zwischen dem Historiker und dem AStA Bremen festgestellt, daß der Vorwurf, Baberowski vertrete „rechtsradikale Positionen“, erhoben werden darf, da er von der grundgesetzlich gesicherten Meinungsfreiheit gedeckt sei.

Womit die HU jedoch verkennt, daß zwischen „rechtsradikal“ und „rechtsextrem“ noch einmal gewaltige Unterschiede liegen. Denn als extremistisch werden laut Verfassungsschutz „Bestrebungen bezeichnet, die gegen den Kernbestand unserer Verfassung – die freiheitliche demokratische Grundordnung – gerichtet sind“. Zu Unrecht werde er häufig mit Radikalismus gleichgesetzt, heißt es. „Radikale politische Auffassungen haben in unserer pluralistischen Gesellschaftsordnung ihren legitimen Platz.“ Darauf hatte sich auch das Landgericht Köln bezogen. Ist Baberowski also nun ein Antidemokrat? 

Die Leitung der Humboldt-Universität jedenfalls teilte der JF mit, sich „gemeinsam mit der Leitung der Philosophischen Fakultät, der Herr Baberowski angehört, klar positioniert und deutlich gemacht“ zu haben, „daß die wissenschaftlichen Äußerungen von Jörg Baberowski – insbesondere in ihren Kontexten – nicht rechtsradikal sind“. Persönliche Angriffe auf Mitglieder der Humboldt-Universität halte sie für nicht akzeptabel (JF 15/17). Für Baberowski scheinen derartige Lippenbekenntnisse nicht auszureichen: „Die Universitätsleitung sollte ihre Professoren vor den Nachstellungen dieser Kriminellen schützen“, fordert er. „Eigentlich wäre sie dazu verpflichtet.“