© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/18 / 07. Dezember 2018

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Wes Wurst man ißt, ...
Christian Vollradt

Manchmal wird ein Skandal, der eigentlich keiner ist, erst zu einem, weil jemand das Wort „Gate“ verwendet. Das amerikanische Suffix soll suggerieren, daß etwas mindestens genauso schlimm ist wie die Affäre, die einst US-Präsident Richard Nixon sein Amt kostete. Beim aktuellen „Blutwurst-Gate“ würde demnach Horst Seehofers Stuhl wackeln. Denn der christsoziale Bundesinnenminister hatte als Gastgeber der 4. Islamkonferenz nicht verhindert, daß bei der Auftaktveranstaltung am vergangenen Mittwoch auf dem Buffet im Auditorium Friedrichstraße auch Speisen waren, die den Speisevorschriften der Muslime widersprechen. 

Während auf der Konferenz keinen zu stören schien, daß da irgendwas nicht ganz halal ist, kochte die Sache im Internet und einigen Medien hoch (obwohl die Mittagspause erst nach Ende des presseöffentlichen Teils stattfand und Journalisten vom Buffet höchstens den Duft mitbekamen). Für weit weniger Aufregung in den sozialen Netzwerken sorgte indes die Tatsache, daß einige Konferenzteilnehmer – die liberalen Muslime Seyran Ates und Ahmad Mansur etwa oder der Apostat Hamed Abdel Samad – Polizeischutz benötigen, weil Islamisten ihnen nach dem Leben trachten. 

Inhaltlich bot die Zusammenkunft unter dem Motto „Muslime in Deutschland – deutsche Muslime“ nicht viel Neues. Ausländische Einflüsse auf die hiesigen Islamverbände sollten reduziert werden, da herrschte quasi Einigkeit. Für Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), bedeutet das im Gegenzug: Wenn Geld (und damit Einfluß) nicht mehr aus dem Ausland kommen sollen, müßten die Muslime das Recht bekommen, „Kirchen“-Steuer zu erheben. Per Handschlag vereinbarte der ZMD-Chef mit dem Bundesinnenminister eine Art Planziel, nämlich die Ausbildung von zwei Dutzend Imamen an deutschen Universitäten im Jahr 2019.

Nordrhein-Westfalens Integrationsstaatssekretärin Serap Güler (CDU) kritisierte, daß der türkische Präsident entscheide, wer Chef des Moscheeverbands Ditib sei. Was hierzulande falsch laufe, spiegele sich in der Tatsache, daß es keinen deutschen Islam, wohl aber einen deutschen Salafismus gebe, so Güler. 

Bezeichnend, was ein nicht-prominenter früherer Gastarbeiter aus dem Publikum aussprach: „Uns war doch damals bewußt, daß wir in ein christliches Land kommen.“ Daß man hierzulande seinen islamischen Glauben frei praktizieren dürfe, reiche doch völlig aus. „Wir dürfen niemanden indoktrinieren!“

Schon bevor Horst Seehofer mit seiner Grundsatzrede die Islamkonferenz eröffnete, konnten sich die Teilnehmer übrigens mit einer Tasse Kaffee oder Tee und etwas Gebäck stärken. Es gab verschiedene Variationen kleiner Croissants. Der Legende nach verdanken die ihre Entstehung dem Sieg über die Osmanen vor Wien 1683 und erinnern an den türkischen Halbmond. Der wurde also, legt man die strengen Maßstäbe der Netz-Empörten an, mit Duldung des Innenministers massenhaft verspeist. Croissant-Gate sozusagen.