© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/18 / 07. Dezember 2018

Brutal böse
Folgen der Masseneinwanderung in Italien: Die Nigerianer-Mafia „Schwarze Axt“ beutet Frauen in der Zwangsprositution aus. Zuhälterinnen binden sie mit Voodoo-Aberglauben an sich. Reden will keiner
Hinrich Rohbohm

Eiligen Schrittes ziehen die fünf afrikanischen Frauen ihren Rollkoffer hinter sich her. Sie schlängeln sich durch das Gewusel einer Seitenstraße, die von der Piazza Garibaldi, dem Platz am Hauptbahnhof Neapels abzweigt. Vorbei an den zahlreichen fliegenden Händlern, mit ihren unter Sonnenschirmen aufgestellten kleinen Klapptischen.

Hier, in den Seitenstraßen rund um die Piazza, endet Europa. Es ist eine Zone, die sich fest in der Hand einer schwarzafrikanischen Mafiaorganisation befindet: der Schwarzen Axt. Eine kriminelle und aufgrund ihrer Folterungen und satanischen Voodoo-Rituale gefürchtete Organisation, die sich in Italien neben Cosa Nostra, Ndrangheta, Camorra und Sacra Corona Unita mittlerweile als fünfte Mafiaorganisation im Land etabliert hat und sich weiter in Westeuropa ausbreitet. „Zum Teil auch schon in Deutschland“, wie eine der JF als Informantin vermittelte nigerianische Asylbewerberin uns versichert.

Inzwischen kontrolliert die Schwarze Axt das Drogen-, Prostitutions- und Bettlergewerbe zahlreicher italienischer Städte. Auch Internetbetrug und Produktpiraterie zählen zu ihren Geschäftszweigen. Wer in die Schwarze Axt aufgenommen werden möchte, muß ein Aufnahmeritual durchlaufen. Unter anderem zählt das Trinken von Menschenblut dazu. Die einheimischen Mafiaclans überlassen ihnen ganze Regionen – gegen entsprechende Abgaben oder Gewinnbeteiligungen, der sogenannten „Pizzo“. Die traditionellen Clans konzentrieren sich statt dessen auf andere Felder der organisierten Kriminalität.

Längst beherrschen        Afrikaner das Terrain

Wie etwa das Geschäft mit der illegalen Migration, das den Clans Millionengewinne beschert. Die illegale Migration ist es auch, durch die sich die Schwarze Axt immer weiter ausdehnen konnte. Durch die rasante Zunahme der Einwanderer aus Afrika findet sie stets neuen Nachwuchs, den sie für ihre Geschäfte rekrutiert.

So auch unter ihren Landsleuten an der Piazza Garibaldi. Die fliegenden Händler dort verkaufen Zigaretten, Handyzubehör, Koffer, Regenschirme, Jacken, Rucksäcke oder Handtaschen. In den Restaurants, den Bars, den umliegenden Geschäften sind fast ausschließlich Schwarze zu sehen. An der Piazza sitzen Hunderte Afrikaner auf einem Geländer und Betonblöcken und schlagen die Zeit tot. Sie werfen ihren Abfall achtlos auf die Straße, auf der sich der Müll in umherwehenden schwarzen, blauen, grünen und farblosen Plastiktüten anhäuft.

An den Straßenecken stehen junge, kräftig gebaute afrikanische Männer. Sie tragen Sonnenbrillen, überblicken die Szenerie. Die fünf jungen Frauen mit ihren Rollkoffern sprechen einen von ihnen an. Der bedeutet ihnen mit einer kurzen Kopfbewegung, mitzukommen. Die Frauen folgen ihm. Sie gehen quer über die Piazza auf die gegenüberliegende Seite, tauchen ein in die berüchtigte Umgebung an der Porta Nolana mit ihren Drogenumschlagplätzen, Prostituierten und Taschendieben.

Auch an diesem Ort das gleiche Bild. Afrikaner beherrschen das Terrain. Auf gegenüberliegenden Balkonen stehen zwei alte italienische Frauen, die sich quer über die Straße beschimpfen. Mit ihrem Zigarettenstummel im Mundwinkel erinnert die Wohlbeleibtere der beiden ein wenig an Familie Flodders Mutter. Ein Bild, das einst typisch für diesen Stadtteil war. Heute wirken die beiden wie Relikte aus einer vergangenen Zeit.

Unterdessen biegt der Mann mit der Sonnenbrille in eine weitere Seitenstraße ab, eine dunkle enge Gasse, in der die Hausfassaden bröckeln und Müll und Gestank sich breitmachen. Ratten huschen durch das schummrige Abendlicht. Zwei Afrikaner haben die Köpfe zusammengesteckt, blicken mißtrauisch auf, handeln offenbar mit Drogen. Der Sonnenbrillen-Mann öffnet zielsicher eine der maroden Eingangstüren, die Gruppe verschwindet in dem heruntergekommenen Gebäude.

„Die Afrikaner haben hier vollkommen die Kontrolle übernommen“, erzählt ein Hotelier aus der näheren Umgebung. Es seien viele schwarze Frauen mit Koffern anzutreffen. „Meistens handelt es sich um Prostituierte. Sie kommen und gehen.“ In den alten Häusern der engen Gassen rings um die Porta Nolana würden sie ihrem Gewerbe nachgehen. Neapel sei dabei jedoch mehr Zwischenstation als Zentrum. „Es ist kein Geheimnis, daß die meisten der Mädchen von hier aus weiter nach Norden geschickt werden.“ „Daß hinter der Prostitution die Schwarze Axt steht, weiß jeder hier. Aber da wird Ihnen keiner was sagen, das ist wie bei der italienischen Mafia.“

Entstanden ist die Organisation ursprünglich aus einer Abspaltung des Black Movement of Africa, einer radikalen Studentenbewegung aus der südnigerianischen Stadt Benin City. Die Schwarze Axt lockt von hier aus junge Frauen mit Versprechungen auf Arbeit und ein besseres Leben nach Europa, streckt das benötigte Geld vor, organisiert die Schlepperrouten quer durch Afrika und über das Mittelmeer.

Nicht wenige der angeworbenen Frauen sind gerade erst dem Terror der radikalislamischen Organisation Boko Haram im Norden Nigerias entkommen. Eine davon ist Theresa. „Ich war zu allem bereit. Ich wollte nur noch weg aus Nigeria, weg von diesen Leuten“, sagt die Christin. Sie hat sich die Kapuze ihrer Jacke tief ins Gesicht gezogen, denn sie möchte auf dem Foto, das wir von ihr machen wollen, nicht erkennbar sein.

Auf die Schwarze Axt angesprochen antwortet sie erwartungsgemäß nichts. Doch ihre Geschichte gleicht der vieler Afrikanerinnen. In der nigerianischen Megapolis Lagos, der zweitgrößten Stadt des afrikanischen Kontinents, hatte eine Frau sie angesprochen. „Ich kenne Leute, die können dich nach Europa bringen. Das Geld dafür kannst du später leicht zurückzahlen. Du kannst da als Haushälterin arbeiten, verdienst viel Geld“, habe die Frau zu ihr gesagt.

Doch der Traum vom Leben in Europa entpuppt sich in der Regel als Albtraum auf dem Straßenstrich. 80 Prozent der illegalen afrikanischen Migrantinnen landen ohne Umschweife im Prostitutionsgewerbe. Ihre oftmals mehrere zehntausend Euro umfassenden Schulden müssen sie bei den Schleusern abarbeiten. Schon in ihrem Heimatland werden sie genötigt, Handlangern der Schwarzen Axt ein persönliches Pfand zu übergeben: Haarbüschel, ein Amulett oder etwa einen Ohrring. Persönliche Gegenstände, die mit einem „Voodoo-Zauber“ belegt werden, der das Opfer verflucht, sollte es aus der Tretmühle Prostitution zu entkommen suchen. Es ist ein entscheidender Grund dafür, daß die meisten Frauen sich nicht der Polizei anvertrauen und verschwiegen bleiben. Loyal gegenüber ihrer „Madame“, in der Hierarchie der Schwarzen Axt die Aufseherin über die Prostituierten in den jeweiligen Städten Europas, denen die Schleuser die Frauen übergeben.

Von 30.000 Einwohnern sind 20.000 Migranten

Und so weicht auch Theresa der Frage aus, ob die Sache mit der Haushälterinstelle funktioniert habe. Sie arbeite in Neapel, lebe aber in Castel Volturno, einem früher mondänen, inzwischen heruntergekommen-verfallenen Badeort, etwa 45 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt der Region Kampanien an der Mündung des Flusses Volturno gelegen.

Einheimischen zufolge ein Ort, der sich fest in der Hand der Schwarzen Axt befinde. 20.000 der insgesamt 30.000 Einwohner sollen Afrikaner sein. „Das ist kein guter Ort“, sagt Clarence, selbst Nigerianer, der ebenfalls dort wohnt. Er spricht von Aufständen, von Gewalt, von Kriminalität. Doch auf die Schwarze Axt angesprochen, möchte auch er nichts sagen. Einwohner geben sich wortkarg. Die Omertà, das Schweigen, gilt nicht nur für die italienische Mafia.

Wer eine Vorstellung davon bekommen will, was das Leben in Castel Volturno bestimmt und wie es möglicherweise auch in Deutschland bei Weiterlaufen der Masseneinwanderung Realität werden könnte, braucht sich lediglich in den Linienbus von Neapel in Richtung des Küstenstädtchens zu setzen. Wobei mit dem Sitzen die Probleme bereits beginnen. Knapp hundert Afrikaner stehen an der Bushaltestelle. Auch zahlreiche schwarze Frauen mit gefärbten Haaren und in enge Leggins gezwängt, die nur in Begleitung kräftig gebauter junger Männer reisen.

Als der Bus eintrifft, herrscht wildes Gedränge. Jeder versucht, sich durch den Hintereingang ins Innere zu zwängen. Fäuste schlagen zu, Ellenbogen werden ausgefahren. Einer der Afrikaner knallt im Gedränge mit dem Gesicht gegen die Fensterfront. Blut rinnt an der Scheibe herunter. Die männlichen „Aufpasser“ bahnen den Frauen einen Weg. Für zwei eingeschüchterte ältere Italienerinnen öffnet der Busfahrer die Vordertür, um sie kurz darauf schnell wieder zu schließen. „Das ist noch gar nichts, das wird noch schlimmer“, sagt Clarence, der sich einen Sitzplatz ergattern konnte. Die Hintertür läßt sich nicht schließen, Passagiere schubsen andere Fahrgäste einfach wieder auf die Straße. Es gilt das Faustrecht. Als wir eine Fahrkarte lösen wollen, schaut der Busfahrer ungläubig auf. So, als sei das ein Scherz gewesen. Niemand der Fahrgäste kauft hier einen Fahrschein.

Plötzlich wird es erneut unruhig. Mehrere Männer im hinteren Teil des Fahrzeugs greifen sich einen Mann, schlagen ihn, ziehen ihn brutal von seinem Sitz und drängen ihn zur Tür. An der nächsten Haltestelle muß er den Bus verlassen. „Das war ein Homosexueller. Die Leute haben seine Mitfahrt nicht akzeptiert“, übersetzt Clarence, so als wäre die Entscheidung eine Selbstverständlichkeit.

Es ist ein Milieu, in dem europäische Werte und Landesgesetze längst keine Beachtung mehr finden. Kriminelle Clans wie die Schwarze Axt sind statt Polizei und Justiz in Orten wie Castel Volturno die maßgeblichen Autoritäten. Und es sind längst keine Einzelfälle mehr. In der am Po-Fluß gelegenen Stadt Ferrara hatten sich in diesem Sommer rivalisierende nigerianische Banden drei Tage lang einen blutigen Kampf mit Macheten, Äxten und Pistolen geliefert, die Stadt phasenweise in ein Kriegsgebiet verwandelt. In Turin und Mailand haben sich regelrechte Zentren der Schwarzen Axt etabliert.

Der Ort Castel Volturno ist dagegen wenig spektakulär. Die einst großzügigen Strandhäuser sind verfallen, dienen einigen Afrikanern noch als Unterkunft. Im Zentrum gibt es nur wenige Geschäfte. Die Fensterläden sind zumeist verschlossen und mit Eisengittern geschützt. Dafür gibt es mehrere Wettbüros, in denen viele der Schwarzen ihren Tag verbringen. An der Hauptstraße, die durch den Ort führt, warten immer wieder vereinzelt Afrikaner, die von Landsleuten in Kleinbussen aufgelesen werden. Auch für den JF-Reporter hält ein Wagen, hupt, fordert zum Einsteigen auf. Junge einheimische Italiener warnen: „Da auf keinen Fall mitfahren“, sagen sie in gebrochenem Englisch, ohne den näheren Grund zu benennen. „Dieser Ort ist nicht gut“, läßt sich auch ihnen nur entlocken.





Schwarze Axt

Mit der Massenmigration aus Schwarzafrika hat sich der nigerianische Mafia-Clan Schwarze Axt (engl. Black Axe) in Italien festgesetzt. Ursprünglich im Süden Nigerias Ende der siebziger Jahre als religiöser Bund entstanden, ist eine Abspaltung davon zur größten Mafia des afrikanischen Kontinents geworden. Eine schwarze Axt, die Ketten an den Handgelenken eines Sklaven zertrümmert, ist ihr Symbol geblieben. Von Sizilien bis Mailand macht die Organisation aus Nigeria der traditionellen Cosa Nostra mit äußerster Brutalität das Terrain streitig. Sie operiert mittlerweile transnational. Das Kerngeschäft Prostitution und Drogenhandel, unter anderem mit Kurieren, die Drogen verschluckt schmuggeln („Bodypacker“), ist fest in der Hand der Schwarzen Axt, die sich dabei zweierlei zunutze macht: den nie endenden Strom von neuankommenden jungen Männern und Frauen aus Afrika, der Verhaftungen ausgleicht, sowie den Voodoo-Aberglauben, der in vielen oberflächlich christianisierten afrikanischen Gesellschaften noch wirkmächtig ist. Nur etwa die Hälfte der nigerianischen Kinder besucht eine Schule.