© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/18 / 07. Dezember 2018

New Orleans
25-Dollar- Voodoo
Elke Lau

Als unser Schiff das Delta verläßt und in den stark befahrenen Mississippi einfährt, wird seine enorme Strömung spür- und sichtbar. Vor uns setzt nämlich ein Schubverband vierundzwanzig Leichter mit großer Mühe schräg in die Uferböschung und „parkt“ sie bei laufender Maschine für die nächsten Stunden gegen die Wasserkraft. 

Unser Liegeplatz befindet sich in der Nähe des berühmten French Quarters. Berichte nach dem Wüten des Hurrikans „Katrina“ ließen uns zweifeln, noch viel vom Zauber der Jazzmetropole vorzufinden. Wir werden eines Besseren belehrt.

Wer eine Flaniermeile erwartet, wird allerdings enttäuscht. Reparaturbedürftige, schachbrettartig angelegte Straßen beherbergen Hotels, Restaurants, Kunstgalerien und Antiquitätenläden. Natürlich sind die berühmten, über hundert Jahre alten Häuser mit schmiedeeisernen Balkonen und überquellenden Blumenarrangements eine Augenweide, aber das Leben, das sich auf den Bürgersteigen abspielt, ist nichts für schwache Nerven: Pralle, kreolische Frauen, gegen Hauswände gelehnt, kiffen ungeniert, prosten durchgeknallten Clowns zu, die auf der anderen Straßenseite Kunststücke vorführen. 

Dixie-Klänge vom feinsten erinnern an Louis Armstrong und Sidney Bechet.

Wahrsagerinnen und Porträtisten, Könner ihres Fachs, bieten ihre Dienste an, und Typen jeden Alters und jeder Hautfarbe bitten mehr oder weniger aggressiv um eine milde Gabe. Voodoo-Läden in dichter Reihenfolge werben phantasievoll für erfolgreiche Rachehandlungen. 

Alle paar Meter haben verrückt gekleidete, rasterlockenbezopfte Männer und Frauen Banjos, Klarinetten, Gitarren und sogar weißgetünchte Susaphone in Stellung gebracht. Dixie-Klänge vom feinsten erinnern an Louis Armstrong und Sidney Bechet, deren Heimat New Orleans war. Ein paar Straßen weiter wird emsig renoviert, und viele Häuser stehen zum Verkauf. 

Leider ist der berühmte Friedhof St. Louis Cemetery in der Basin Street, angelegt 1788, für spontane Besuche gesperrt. Hier liegt die geheimnisumwitterte Voodoo-Königin Marie Laveau begraben. 2013 wurde das Grab geschändet; man macht die Feinde ihres religiösen Geheimkults dafür verantwortlich. Viele glauben an übersinnliche Kräfte der Dame. Ich natürlich nicht, zumindest würde ich es nie zugeben. Und 25 Dollar will auch ich nicht opfern, um einer präparierten Puppe einen Namen zu verpassen und sie mit bösen Wünschen im Meer zu versenken. Obwohl – Kandidaten wüßte ich genug.