© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/18 / 07. Dezember 2018

Die Rufe nach einem Plan B werden lauter
Großbritannien: Dem Brexit-Plan der Premierministerin droht ein Fiasko / Kleinkriege hinter den Kulissen
Josef Hämmerling

Die Brexit-Vereinbarung Theresa Mays mit der EU wird am 11. Dezember vom britischen Parlament abgelehnt. Jedenfalls wenn man dem britischen Wettanbieter Paddy Power Glauben schenkt, denn dort glaubt die überwiegende Mehrheit, daß die Brexit-Hardliner sich durchsetzen werden. 

Da die Labour-Partei im Falle einer Ablehnung der mit der EU ausgehandelten Vereinbarung bereits mit einem Mißtrauensvotum gegen Premier Theresa May droht, versuchen sie und ihre Mitstreiter im Hintergrund alles, um zweifelnde Abgeordnete auf ihre Seite zu ziehen. Die Times zitierte einen Parlamentarier mit den folgenden Worten: „Bestechung, Erpressung, Mobbing, sie werden alles ausspielen, was sie haben.“

Denn derzeit sieht alles nach einem Scheitern aus. Um das Abkommen zu genehmigen, müssen mindestens 320 Abgeordnete dafür stimmen. Die Tories haben aber nur 316 Stimmen und sind deswegen auf mindestens vier der zehn Stimmen ihres Koalitionspartners, der nordirischen Democratic Unionist Party (DUP), angewiesen. Doch diese lehnt die vorgesehene Zollunion mit Irland kategorisch ab und besteht auf einem vollständigen Beibehalt Nordirlands in Großbritannien. Parteichefin Arlene Foster betonte in der vergangenen Woche auf der DUP-Jahreskonferenz in Belfast, daß der Verbleib in der Zollunion zu Verwerfungen mit dem für Nordirland größten Markt, Großbritannien, führen würde. So kündigte Foster dann auch an, daß die DUP geschlossen gegen den Brexit stimmen werde. Da alle anderen im Unterhaus vertretenen Parteien bereits die Ablehnung des mit der EU ausgehandelten Abkommens ankündigten, würde alleine die Ablehnung durch die DUP May scheitern lassen.

Norwegen bringt Efta ins Spiel

Doch auch aus den eigenen Reihen wird der Widerstand immer größer. So trat am vergangenen Freitag mit Sam Gyimah ein weiterer Staatsseketär zurück. Gleichzeitig kündigte Gyimah per Twitter an, er werde bei der Abstimmung gegen den mit Brüssel ausgehandelten Deal stimmen. Darüber hinaus forderte er ein zweites Brexit-Referendum. Gyimah ist das neunte Regierungsmitglied, das im Streit über das Brexit-Abkommen zurücktrat. 

Für Verwirrung sorgte eine Stellungnahme der britischen Regierung. Danach würde die britische Wirtschaft durch den Brexit Schaden nehmen und in den kommenden 15 Jahren bei einem Abschluß mit der EU um vier Prozent weniger wachsen als bei einem Verbleib in der EU. Bei einem harten Brexit würde das Minus sogar bei rund zehn Prozent liegen. Wörtlich heißt es, daß ein Verbleib in der EU „besser für die Wirtschaft“ des Landes sei. Unter anderem mit dem wirtschaftlichen Schaden begründet auch die Regierung Schottlands die Ablehnung des Brexits und fordert ebenfalls eine neue Abstimmung. Zuvor hatte die britische Regierung immer betont, die Wirtschaft des Landes würde vom Brexit profitieren.

Nun brache Norwegens Premierministerin Erna Solberg als Plan B  einen möglichen Beitritt Großbritanniens in die europäische Freihandelszone Efta ins Spiel. Norwegen, für das Großbritannien der wichtigste Handelspartner ist, gehört nicht der EU an, ist aber wie auch Island, Liechtenstein und die Schweiz über den Efta-Vertrag wirtschaftlich eng mit der Europäischen Union verbunden. Islands Außenminister Gudlaugur Thordarson unterstützt den Plan: „Großbritannien verläßt nicht Europa, und in Europa gibt es verschiedene Formen der Zusammenarbeit.“ Als Beispiele gelten die Europäische Union selbst, aber auch Efta, Nato, Schengen und die Eurozone.