Die Frau am Informationsschalter hat recht und nicht der gelbe Aushang im Bahnhof. Die dort angebotene Verbindung von der sächsischen Landeshauptstadt in die Metropole am Main ist zur Zeit nur ein frommer Wunsch. Dresden wird von der Deutschen Bahn immer mehr abgehängt. Vorbei die Zeiten, als ein „Nightliner“ versprach – und hielt – morgens in Zürich aufzuwachen.

Auf meine Frage, ob es überhaupt eine Verbindung nach Frankfurt am Main gebe, ohne umsteigen zu müssen, schüttelt die Frau nur den Kopf. Ich habe die Wahl, in Braunschweig oder Hannover den Zug zu wechseln. Sollte ich erstere Verbindung wählen, wäre die Reisezeit länger als ein tariflicher Arbeitstag. Ich entscheide mich für Hannover, quer durch Thüringen, mit prächtigem Ausblick auf die Burgruinen und letztlich die mächtige Wartburg, über Sachsen-Anhalt nach Niedersachsen.

Der Zugwechsel ist Pech für die Omas, die sich erneut helfende Hände suchen müssen.

Eine Lautsprecherstimme heißt alle Reisenden im IC herzlich willkommen und kündigt die erste Aktion an: Aus technischen Gründen müssen wir alle in Leipzig den Zug wechseln. Der sei baugleich und daher würden die Platzkarten ihre Gültigkeit behalten. Pech für die Omas, deren Gepäck von den Enkeln sorgfältig verstaut worden war. Die Bahn setzt in solchen Fällen auf die Hilfsbereitschaft ihrer Kunden und schnelle Füße von einem Bahnsteig zum anderen.

Der nächste Akt im Programm wird noch vor Abfahrt des Zuges angekündigt. Wegen eines Unfalls fahre man nicht über den Flughafen Halle/Leipzig und Halle, sondern über Bitterfeld und Dessau. 

Pünktlich fährt der Zug in Hannover ein. Ich wuchte mein Gepäck durch ein Polizeigroßaufgebot zum Anschlußzug. Statt auf dem harten Sitz des Doppelstockwagens geht es jetzt gemütlicher zu. Klar, auf meiner Deutschlandreise bin ich ja jetzt nicht mehr im „abgehängten“ Osten, sondern in der noch heilen Welt des Westens, im ICE von Hamburg-Altona nach Wiesbaden.