© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/18 / 14. Dezember 2018

Emmanuel Macron und die „Gelbwesten“
Letzte Chance vertan
Eva-Maria Michels

Montag abend hatte Emmanuel Macron seine letzte Chance, die Proteste der „Gelbwesten“ einzudämmen. Genutzt hat er sie nicht, denn er versteht sein eigenes Volk nicht. Die französische Elite hat die Realität im Sinne eines grenzenlosen, materialistisch-emanzipatorischen Welt- und Menschenbildes so sehr dekonstruiert, daß sie das menschliche Wesen und seine Sehnsüchte nicht mehr erfassen kann. Die Maßnahmen beschränken sich auf milde Gaben aus der finanzpolitischen Zauberkiste, die nun schon früher verteilt werden, als es sein Programm vorsah.

Dabei hätte Macron ohne große Unkosten ein paar Zugeständnisse machen können, die dem Volk gezeigt hätten, daß es ernst genommen wird: Ausstieg aus dem UN-Migrationspakt und eine Rückkehr zu den 90 ktundenkilometern auf Landstraßen. Die „Gelbwesten“-Proteste sind nämlich nicht rein wirtschaftlicher Natur, sondern auch das Zeichen einer kulturellen und identitären Verunsicherung. 

Nicht umsonst sieht man bei den Demonstrationen auch die Flaggen der historischen Provinzen (Bretagne, Lothringens etc.). Es ist der Schrei der Verzweiflung des kleinen Mannes, dem „die da oben“ zuerst Gott, dann seine wirtschaftliche Grundlage und schließlich seine Identität geraubt haben. Es ist eine Revolte gegen die ad absurdum geführten Werte der Französischen Revolution, die mit großer Wahrscheinlichkeit in einem Bürgerkrieg enden wird.