© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/18 / 14. Dezember 2018

Ländersache: Sachsen-Anhalt
Mittelfeld statt Spitzenplatz
Paul Leonhard

Das Abitur in Sachsen-Anhalt gilt bisher als besonders anspruchsvoll. Die Oberschüler werden im Fach Mathematik ausschließlich auf Leistungskursniveau unterrichtet. Auch müssen sie seit 2007 sechs und nicht wie in den meisten Bundesländern lediglich zwei Leistungskurse belegen. Eine Schulpolitik, die dafür sorgte, daß Sachsen-Anhalts Schüler  bundesweit in Naturwissenschaften und Mathematik Spitze sind.

Als im Sommer die Ergebnisse der Abiturprüfungen vorlagen, zeigte sich Bildungsminister Marco Tullner (CDU) hochzufrieden. Wie im Vorjahr hatten die 5.478 Oberschüler einen Abiturnotendurchschnitt von 2,3 erreicht. Lediglich 266 Schüler waren durchgefallen. Das sachsen-anhaltische Abitur sei ein Qualitätsabitur, so Tullner stolz. Was er unterschlug: Die guten Ergebnisse waren das Resultat der 2016 erfolgten Aufweichung der Oberstufenverordnung. Die Schüler konnten acht von 44 Kursergebnissen aus der Endnote streichen.

Künftig dürfte sich der Notendurchschnitt weiter verbessern. Grund ist ein Beschluß der Kultusministerkonferenz (KMK), nach dem das Abitur bundesweit vergleichbarer werden soll. Dabei orientiert man sich nicht an den strengen Anforderungen, wie sie in Bayern oder Baden-Württemberg gelten, sondern an den „leichten Abis“ in Hamburg und Bremen. Um die Schüler der gymnasialen Oberstufe nicht zu „überfordern“, sollen diese zwischen Kursen auf zwei verschiedenen Leistungsniveaus wählen können, wobei zwei bis vier Leistungskurse Pflicht sind. Damit kehrt man zu einem Modell zurück, das bis 1999 galt, dann aber auf Druck von Baden-Württemberg gekippt worden war, um das Bildungsniveau anzuheben.

Sachsen-Anhalts damaliger Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz (CDU) schraubte daraufhin das Niveau in den Oberstufen hoch. Insbesondere im Fach Mathematik verschlechterten sich die Noten. 2007 erhöhte Sachsen-Anhalt die für alle Schüler obligatorischen Leistungskurse auf sechs. Die Folge war, daß nur noch 80 Prozent der Oberschüler das Abitur bestanden, 2004 waren es noch 92 Prozent gewesen. Eine weitere Verschärfung folgte 2013, nach der es nicht mehr möglich war, die zwölf schlechtesten Halbjahresnoten zu streichen. Ab dem Schuljahr 2019/2020 kehrt Sachsen-Anhalt nun auf der Druck der KMK nach 15 Jahren zum Modell der Grund- und Leistungskurse zurück. Die Oberschüler können aus sechs Kernfächern – Deutsch, Mathematik, eine Fremdsprache, Geschichte, eine Naturwissenschaft sowie wahlweise eine zweite Fremdsprache oder eine zweite Naturwissenschaft – zwei Leistungs- und vier Grundkurse zusammenstellen. Erstere werden mit je fünf Wochenstunden unterrichtet, letztere mit je drei Stunden. Hinzu kommen sechs Fächer, die zweistündig pro Woche unterrichtet werden. 

Das bedeutet in den Kernfächern nur noch 22 statt bisher 24 Wochenstunden, kritisiert Thomas Gaube, Vorsitzender des Philologenverbandes, der besorgt einen „Trend zu abnehmender Leistungsbereitschaft in der gesamten Bildung“ beobachtet. Minister Tullner dagegen lobt: Die Gymnasien würden sowohl eine breite Allgemeinbildung vermitteln, als auch die Spezialisierung für den weiteren Berufsweg zulassen. Künftig aber liegt Sachsen-Anhalt mit seinen Anforderungen an Abiturienten nur noch im Mittelfeld der Bundesländer.