© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/18 / 14. Dezember 2018

In einer jämmerlichen Lage
Brexit: Nach Verschiebung der Abstimmung versucht Premier May zu retten, was zu retten ist
Josef Hämmerling

Der Brexit entwickelt sich für Premierministerin Theresa May und ihre Konservative Partei immer mehr zur Posse. Nachdem die britische Regierung noch am Montag morgen um zwei Uhr  Gerüchte dementierte, die für Dienstag abend angesetzte Abstimmung zum von May ausgehandelten Abkommen mit der EU werde verschoben, gab sie genau dies nur 14 Stunden später bekannt.

 May begründete diese Verschiebung damit, daß das Abkommen im Unterhaus keine Mehrheit erhalten hätte. Wie es hieß, sollen mehr als hundert der 316 konservativen Abgeordneten erklärt haben, den Pakt abzulehnen. So habe das Kabinett beschlossen, May solle bei weiteren Verhandlungen mit der EU eine Nachbesserung erreichen. Das gelte insbesondere für den sogenannten „Backstop“, mit dem neuerliche Grenzkontrollen zwischen Irland und Nordirland verhindert werden sollen. Damit verbunden würde Großbritannien aber auch weiterhin der Zollunion mit der EU angehören, was von den Brexit-Befürwortern abgelehnt wird. Insbesondere auch vom Koalitionspartner der Torys, der nordirischen nationalkonservativen Democratic Unionist Party (DUP). Nur zusammen mit den zehn Abgeordneten der DUP erreichen die Konservativen die erforderliche Mehrheit von 320 Stimmen, um den Deal mit der EU erfolgreich zu verabschieden. 

Aus diesem Grund will May in Brüssel  „zusätzliche Rückversicherungen für die Frage nach einem Backstop“ erreichen. Obwohl die EU seit Wochen erklärt, es werde keine Nachverhandlungen geben, kündigte EU-Ratspräsident Donald Tusk für Donnerstag einen Brexit-Gipfel an. Mehrere Regierungschefs erklärten aber bereits, man werde Großbritannien nicht mehr entgegenkommen als vereinbart.

 Innenpolitisch löste die Verschiebung ein Erdbeben aus. Labour-Chef Jeremy Corbin erklärte, Großbritannien habe „keine funktionierende Regierung mehr“ und forderte Neuwahlen. Besonders scharf fiel die Kritik der schottischen Regierungschefin Nicola Sturgeon von der Scottish National Party (SNP) aus, die von einer „erbärmlichen Feigheit der Premierministerin“ sprach. 

Und Vince Cable, Chef der Liberaldemokraten, forderte ein neues Brexit-Referendum, um das „unwürdige Geschachere“ endlich zu beenden. Selbst aus den Reihen der Konservativen Partei kam Kritik. „In was für einer traurigen und jämmerlichen Lage sind wir gelandet. Es wird Zeit für einen Mißtrauensantrag“, sagte Mays Parteikollege Stewart Jackson. 

Bis zum 21. Januar soll das  Unterhaus entscheiden 

Wenn man in London kursierenden Gerüchten Glauben schenken darf, läuft nunmehr vieles auf den von der norwegischen Regierungschefin Erna Solberg ins Spiel gebrachten Plan B hinaus. Danach soll Großbritannien der europäischen Freihandelsunion Efta beitreten. Damit würde das Königreich in der Zollunion und im Binnenmarkt verbleiben, müßte aber auf eine eigenständige Ausländerpolitik verzichten, was bei dem Votum 2017 einer der Hauptgründe für den Brexit war. 

Mit der Unterstützung der Labour-Partei könnte so der von May abgelehnte harte Brexit verhindert werden. Zwar würde dies aller Voraussicht nach zu einem Mißtrauensantrag der eigenen Partei mit anschließender Neuwahl führen, doch wäre dies auch bei einer Niederlage im Unterhaus der Fall. 

Parallel dazu hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, die britische Regierung könne von ihrem Entschluß, aus der EU auszutreten, jederzeit wieder zurücktreten. Hierfür sei weder ein Parlamentsbeschluß notwendig noch ein zweites Referendum. Auch behalte Großbritannien all seine bisherigen Rechte. Die Entscheidung des EuGH sei „irrelevant“, erklärte Außenminister Jeremy Hunt, die Briten wären „schockiert und sehr wütend“, wenn der Brexit noch verhindert würde“.

 Spätestens bis zum 21. Januar soll es nun zu einer neuen Abstimmung im britischen Unterhaus kommen.