© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/18 / 14. Dezember 2018

Zeitschriftenkritik: Allgemeine Zeitschrift für Philosophie
Von Monstern und Märkten
Oliver Busch

Das Marx-Jahr 2018 klingt beziehungsreich mit der Annahme des UN-Migrationspaktes in Marrakesch aus. Der Teufelspakt legalisiert den in den Strategiezentren des globalisierten Finanzkapitalismus konzipierten Einsatz der vornehmlich gegen die Nationalstaaten Europas zielenden Massenvernichtungswaffe Migration und macht den Weg frei für den Bevölkerungsaustausch auf dem alten Kontinent.

Genau 170 Jahre nach der Veröffentlichung des von Karl Marx und Friedrich Engels verfaßten „Kommunistischen Manifests“ (1848) erreicht die dort prognostizierte Globalisierung des kapitalistischen Urprinzips, der Profitmaximierung, in Marrakesch sein bislang wichtigstes Etappenziel. Mit der Reduktion des Menschen auf den „Migranten“, auf ein mobiles, allzeit austauschbares Funktionsteil,  kommt die Verwandlung der Welt in einen grenzenlosen Markt, der, wie es im „Manifest“ heißt, alles „Ständische“, Völker, Kulturen, Nationen, im entfesselten Produktionsprozeß „verdampft“, einen entscheidenden Schritt voran.

Diese unverhoffte Aktualität des Gesellschaftstheoretikers Marx hat die Redaktion der Allgemeinen Zeitschrift für Philosophie inspiriert, den 43. Jahrgang ihrer Zeitschrift mit einem Themenheft über den Patriarchen des Weltkommunismus zu beschließen (Heft 3/2018). Darin geht Oliver Müller (Freiburg) zunächst der Frage nach, ob in Marx‘ Riesenwerk auch eine ausgefeilte „Philosophie der Technik“ steckt. Das sei nicht der Fall, aber der Sozialphilosoph habe bereits erkannt, daß die Technik fundamentale Transformationen des menschlichen Tuns, Fühlens und Denkens bewirkt. Marx könne uns daran erinnern, daß Menschen im Zeitalter der Globalisierung weiterhin als „Material“ begriffen werden, das bestmöglich an die Maschinen anzupassen sei.

Müllers Freiburger Kollege Stefan Schwenzfeuer wendet sich Marx’ Theorie der sozialen Freiheit zu. Freiheit, dies gestehe Marx in seiner Kritik der bürgerlichen Gesellschaft zu, werde zwar in Form von Menschen- und Bürgerrechten garantiert, verkehre sich aber in der sozialen Wirklichkeit zur Unfreiheit. Unter kapitalistischen Vorzeichen sei somit die bürgerliche Gesellschaft der Ort der Verkehrung von Freiheit in Unfreiheit. Allerdings eröffnen ihre Widersprüche auch die Aussicht auf eine Freiheit ohne Verkehrung: in der kommunistischen Zukunftsgesellschaft.

Weniger konventionell traktiert Christoph Henning (Max-Weber-Kolleg Erfurt) seinen Gegenstand, wenn er in einer „kleinen philosophischen Bilderkunde“ über „Marx und die Monster des Marktes“ handelt. Henning, der 2017 eine scharfsinnige Untersuchung über „Marx und die Folgen“ publizierte, umreißt hier einen selten gesehenen Nebenzweig der marxschen Kritikstrategie: den Rückgriff auf sprachliche Bilder wie „Vampir“ und „Werwolf“. Indem er den Kapitalismus etwa im Schreckbild des Vampirs zeige, unterminiere er dessen von neoliberalen Ideologen wie Hayek und Friedman geschaffenes „Hochglanz-Selbstbild“.

Kontakt: Allgemeine Zeitschrift für Philosophie, Verlag Frommann-Holzboog, 70372 Stuttgart.  Das Heft kostet 36 Euro.

 www.frommann-holzboog.de