© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/18-01/19 / 21./28. Dezember 2018

Svenja Flaßpöhler ist eine Denkerin mit Mut – doch hat sie davon auch genug?
Ein wenig unkorrekt
Jodokus Ränzle

Svenja Flaßpöhler ist schon öfter angeeckt. Zuletzt fand sie sich für ihre Einlassung zur #Me Too-Debatte im Januar gar in die rechte Ecke gestellt. Dabei hatte sie nur kritisiert, daß die Kampagne gut gemeint, aber kontraproduktiv sei, reduziere sie die Frau doch zum passiven Objekt. Unlängst hat sich nun die Philosophin, Journalistin und Autorin preisgekrönter Bücher, wie „Verzeihen. Vom Umgang mit Schuld“ (2017), noch etwas weiter vorgewagt. In ihrer Eröffnungsrede der Buchmesse Wien hat sie zum Umgang mit „Rechts“ Stellung bezogen und eine offenere Streitkultur gefordert. 

Dabei geht die 1975 in Münster geborene Chefredakteurin des Philosophie-Magazins mit der „deliberativen Demokratietheorie“ des Jürgen Habermas hart ins Gericht. Denn der bundesdeutsche „Hausphilosoph“ will – ganz im Gegensatz zum Postulat seiner frühen Jahre – zu der von ihm propagierten „diskursiven Willensbildung“ in öffentlichen Debatten nur Inhalte und Argumente zulassen, die „vernünftig“ sind. Da aber rechte politische Positionen nach Habermas per se in Unvernunft verharren, dürfen sie im öffentlichen Raum keine Stimme haben – nur „die Dethematisierung kann dem Rechtspopulismus das Wasser abgraben“. 

Flaßpöhler dagegen plädiert, ganz im Sinne des Habermas der Ära Achtundsechzig, für eine „agonistische Demokratie­theorie“: Was vernünftig ist, so die Philosophin, sei keineswegs vorherentschieden, sondern solle erst durch den Diskursprozeß ermittelt werden. Somit sei inakzeptabel, wenn eine politische Position sich eine providentielle, also seherische, Vernunft zuspreche und solchermaßen selbst erhöht, der Gegenposition grundsätzlich die Unvernunft zuweise. Denn unter solchen Umständen sei Diskurs sowohl überflüssig, wie überhaupt unmöglich. 

Die Athene mit dem dezenten Irokesenschnitt will Demokratie dagegen offen gestalten. Voraussetzung dafür sei echter Wille zum Diskurs – auf beiden Seiten. Von gleich zu gleich miteinander reden? Mit „Rechten“? Davor schreckte sie dann doch zurück: „Solche Offenheit des Diskurses birgt Risiken: Die Gefahr, daß die neue Rechte Geländegewinne zur Installierung eines neuen Faschismus nutzt, muß klar gesehen und betont werden!“ 

Hier wird deutlich, wie die Geistesamazone dann doch der Mut verläßt und sie zu kurz springt. Denn die Faschismus-Keule schlägt hierzulande ja schon zu, wenn man Joghurt mit rechtsdrehender Milchsäure ißt. Von einer „idealen Diskurssituation“, wie sie der junge Habermas einst beschwor, kann also angesichts der linken Vormacht, darüber zu entscheiden, was vernünftig, also zulässig ist, keine Rede sein. Die Entschlossenheit und Kraft, aus der Falle des Selbstgesprächs, das so anstelle des Diskurses tritt, auszubrechen, und letzteren „herrschaftsfrei“ (Habermas) zu machen, muß Svenja Flaßpöhler noch finden.