© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/18-01/19 / 21./28. Dezember 2018

Sag, wo die Soldaten sind
Bundeswehr: Weit und breit gibt es keine Belege für eine „Schattenarmee“
Christian Vollradt

Ein Gespenst geht um in Deutschland: das einer „Schattenarmee“, eines Netzwerks rechtsextremer Soldaten und Polizisten, viele von ihnen top-ausgebildete Angehörige von Spezialeinheiten. Die würden sich, so der Tenor mehrerer Medienberichte, heimlich auf einen ominösen „Tag X“ vorbereiten, stünden in klandestinen Chat-Gruppen miteinander in Verbindung, um bei Bedarf – vornehmlich linke – politische Gegner umzubringen. Deren Namen sollen auf Listen stehen, Waffen in Depots lagern und sogenannte „Safe Houses“ zur Verfügung stehen. 

Obwohl das BKA nach entsprechenden Hinweisen schon seit über einem Jahr ermittelt, liegen gerichtsfeste Beweise bisher nicht vor: weder zu Waffenlagern noch zu Todeslisten. Ins Visier geraten ist indes der Verein „Uniter“, etwa 1.800 Mitglieder, gegründet 2010. Vereinsziel ist unter anderem die gegenseitige Unterstützung ehemaliger Soldaten und Polizisten, die nach ihrem Ausscheiden eine passende Anschlußverwendung in der privaten Wirtschaft suchen. Dazu sei man zum einen mit ähnlichen Organisationen in fast allen Staaten der Erde vernetzt, zum anderen bei den Vereinten Nationen akkreditiert. Bei Uniter ist man stolz auf das „Know-how“, über das die Mitglieder verfügen. 

Da sich jedoch in der Sicherheitsbranche auch zahlreiche „schwarze Schafe“ tummelten, sei eines der Anliegen des Vereins, hohe Qualitätsstandards international durchzusetzen und zu zertifizieren. Und genau damit habe man wohl einigen Konkurrenten auf die Füße getreten, die nun ihrerseits die Gerüchte über eine vermeintliche Schattenarmee gestreut hätten, vermutet man im Umfeld von Uniter. Ärgerlich sei in diesem Zusammenhang, daß Kooperationspartner des Vereins bereits bedroht worden seien. Zudem hätten vier Uniter-Mitglieder – allesamt Ex-Soldaten oder -Polizisten – ihre Jobs als Sicherheitskräfte in Unternehmen verloren. Dies sei offenbar eine Vorsichtsmaßnahme der börsennotierten Firmen, um Rufschädigungen zu vermeiden. Etwa 23 Unternehmen und rund hundert Mitglieder hätten Uniter inzwischen verlassen. Es gebe aber zahlenmäßig mehr Neueintritte – auch als Zeichen der Solidarität. 

Die Bundesregierung reagierte auf diese Vorgänge bisher weitgehend zurückhaltend. Ein Sprecher verwies auf die Ermittlungen und teilte mit, man habe „keine weiteren Erkenntnisse“ zu Uniter, einem Verein, „der nicht verboten ist“. Der Chef des Militärischen Abschirmdienstes, Christof Gramm, hatte in einer Anhörung des Bundestags klargestellt, es gebe keine gewaltbereiten Netzwerke in der Bundeswehr.

„Übertrieben vielleicht,   aber nicht staatsgefährdend“

Daß bei der Sorge vor Unterwanderung der Armee durch – vermeintliche – Extremisten der Rechtsstaat nicht außer acht zu lassen ist, wurde erst im Herbst dem Verband der Reservisten der Bundeswehr ins Stammbuch geschrieben. Der hatte einem fördernden Mitglied aus Mecklenburg-Vorpommern basierend auf Medienberichten vorgeworfen, Angehöriger der „Prepper-Szene“ und Mitglied in deren Gruppe „Nordkreuz“ zu sein, in der angeblich eine „Todesliste mit 5.000 Einträgen“ über politische (linke) Gegner existiere. Dies sei „mit der Satzung und dem Selbstverständnis des Reservistenverbandes nicht vereinbar“. Das betroffene Mitglied wies die Vorwürfe gegenüber dem Verband zurück. „Prepper“ zu sein beinhalte nur, Lebensmittel und Trinkwasser zu bevorraten. Dennoch erklärte das Präsidium seine „Mitgliedschaft im Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr e.V. mit sofortiger Wirkung für beendet“.

Schon im November 2015 hatte der Verband auf Beschluß der Delegiertenversammlung seine Satzung um einen Punkt ergänzt. Darin heißt es: „Der Verband kann die Mitgliedschaft nach Anhörung des Mitglieds durch Beschluß des Präsidiums aus wichtigem Grund fristlos kündigen, falls die weitere Fortsetzung der Mitgliedschaft für den Verband gemessen an Selbstverständnis und Zweck des Verbandes unzumutbar ist.“ Doch im Fall des „Preppers“ aus Mecklenburg-Vorpommern machte das Amtsgericht Bonn den Verbandsfunktionären und ihrem kurzen Entscheidungsweg einen kräftigen Strich durch die Rechnung. Die hätten „weder nachvollziehbare Indizien noch Beweise vorgebracht“, sondern „Leerformeln“ und sich nur „auf Informationen Dritter“ berufen. Die Satzung verlange die Bekanntgabe konkreter Gründe, auf denen die Kündigung fußt. Stattdessen sei eine Vielzahl verschiedener Vorwürfe aufgezählt worden, „weshalb gar nicht klar ist, auf welchen dieser Vorwürfe sich die Kündigung stützt“. Das Gericht gab dem Mitglied, das gegen seine Kündigung geklagt hatte, also recht. 

Die Bundeswehr stehe beim links-grünen Spektrum „immer unter Generalverdacht, die ‘falsche’ Gesinnung zu haben, das ist seit bald 30 Jahren so“, meint der Obmann der AfD-Fraktion im Verteidigungsausschuß, Rüdiger Lucassen. Der aktuelle Fall um angebliche „rechte Netzwerke“ erreiche jedoch eine neue Stufe der Hysterie. Man müsse „schon ein wenig verwirrt sein, um aus einer WhatsApp-Gruppe eine ‘Armee’ herbeizureden“. Während die Regierung vortrage, daß den Geheimdiensten keine Erkenntnisse über solche Umtriebe vorliegen, forderten die Grünen ein hartes Durchgreifen. „Ich frage mich dann schon, auf welcher Grundlage?“, so Lucassen. Das gleiche gelte für die sogenannte „Prepper“-Szene. „Es mag ja übertrieben sein, Wasser- und Essensvorräte im Keller anzulegen; ‘staatsgefährdend’ ist dies aber noch lange nicht.“