© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/18-01/19 / 21./28. Dezember 2018

Knapp daneben
Das Signal von Lüdenscheid
Karl Heinzen

Ein nordrhein-westfälisches Spezialeinsatzkommando (SEK) hat in Lüdenscheid vor wenigen Tagen erfolgreich die Wohnung einer 88jährigen Rentnerin gestürmt. Eigentlich sollte die Razzia einer mutmaßlichen Rockerbande in der Nachbarschaft gelten. Leider hatten sich die Polizisten jedoch in der Hausnummer geirrt. Auf dem Balkon der alten Dame zündeten sie eine Blendgranate und nutzten den Überraschungseffekt, um die Wohnungstür aufzubrechen.

Die Rentnerin soll den Zugriff unbeschadet überstanden haben. Vielleicht fühlte sie sich an die Bombennächte ihrer Jugend erinnert und profitierte von der damals gewonnenen Nervenstärke, die den nachfolgenden Weichei-Generationen abhanden gekommen ist. Die Staatsanwaltschaft Hagen, auf deren Ersuchen der Einsatz erfolgt war, räumte den Fehler ein. So ein Versehen sollte nicht vorkommen, hieß es. Ob dies aufrichtig gemeint war? 

Die Botschaft der sich sonst auf Falschparker konzentrierenden Sicherheitskräfte: Die Polizei ist noch da.

Viele Bürger haben in den letzten Jahren die Polizei nur noch als einen Papiertiger erlebt, der zwar Autofahrer abzocken und etwas zu laut feiernde Jugendliche terrorisieren kann, ansonsten aber zu feige und zu kraftlos ist, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Dieses ramponierte Image vermag ein Ereignis wie in Lüdenscheid ein wenig aufzupolieren. Die Öffentlichkeit darf dabei ruhig über das Mißgeschick lachen. So etwas ist in einer Zeit unvermeidlich, in der so mancher, der zur Polizei kommt, noch nicht vollständig mit der Wunderwelt des Lesens, Schreibens und Rechnens vertraut ist. Viel wichtiger ist der Eindruck, daß die Sicherheitskräfte unseres Landes doch noch so zuschlagen können, wie man es als Fernsehzuschauer aus den einschlägigen Krimis gewohnt ist. Das mag zwar mitunter die Falschen treffen, und das mag vor allem die aussparen, die es verdient hätten, mit denen man sich allerdings auch als sogenannte Staatsmacht nicht anlegen sollte, weil das hieße, die Lage unnötig eskalieren zu lassen. Das alles wiegt nichts gegen das Signal: Sie ist da, die Polizei. Vielleicht nicht dann, wenn man sie braucht. Doch das ist nebensächlich. Es gibt keinen Grund, beunruhigt zu sein.