© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/19 / 04. Januar 2019

Ländersache: Sachsen
Mit den Wölfen heulen
Paul Leonhard

Wölfe können in Sachsen künftig abgeschreckt und notfalls geschossen werden. Das hatte Sachsens von populären politischen Forderungen der AfD getriebener Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) im November gefordert, nachdem ein Wolf mehr als 40 Schafe und Ziegen getötet hatte. 

Wunschgemäß hat jetzt Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt (CDU) den Entwurf einer neuen Wolfsverordnung zur Anhörung vorgelegt, nach der künftig eine Vergrämung der Tiere möglich sein soll, wenn diese in Siedlungsgebieten angetroffen werden oder sich außerhalb von Ortschaften einem Menschen bis auf hundert Meter nähern, statt zu fliehen. Wölfe, die sich Menschen ohne Scheu auf weniger als 30 Meter nähern, sollen künftig geschossen werden dürfen. Außerdem heißt es in dem vom Regierungskabinett gebilligten Entwurf: „Sollte ein Wolf in einem Gebiet mit landwirtschaftlicher Schaf- und Ziegenhaltung von erheblichem Umfang zweimal verbindlich festgelegte Schutzmaßnahmen überwinden und Schafe oder Ziegen töten, können Wölfe entnommen werden.“ 

Mit der Verordnung solle nun der Umgang mit dem Wolf „rechtssicherer und effizienter“ gestaltet und die Unterstützung für Tierhalter verbessert werden. Ziel sei es, das Leben mit dem Wolf „so konfliktarm wie möglich zu gestalten“, heißt es in der Verordnung. 

Diese Neuerungen legten nahe, daß künftig die „Tötung einzelner Wölfe, ganzer Gruppen und auch von Jungtieren“ stattfinden darf, wenn „das öffentliche Leben erheblich gestört wird“, protestierte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Der Entwurf sei „mit dem naturschutzrechtlichen Schutz der Wölfe nicht vereinbar“, erklärte der sächsische BUND-Vorsitzende Felix Ekardt. Von „Mumpitz“ und einem Entwurf, der „den Geist der Wolfsabschußkampagne der CDU atmet“, sprach Wolfram Günther, Vorsitzender der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag. 

Er bezieht sich damit auf eine Initiative der Bundestagsfraktion der Union, die „wolfsfreie Zonen“ gefordert hatte. Es sei ärgerlich, daß das Bundesumweltministerium bisher nicht reagiert habe, sagte Kretschmer. Deswegen sei er froh, daß man mit Niedersachsen und Brandenburg Verbündete habe, die gemeinsam im Bundesrat aktiv werden, um Nutztierhalter zu unterstützen. Auch die Idee von Sachsens Premier Kretschmer, die Wölfe mit Sendern auszustatten, hat der Landwirtschaftsminister aufgegriffen. So sollen genaue Erkenntnisse über den Aufenthaltsort und den Bewegungsradius der Wolfsrudel in Sachsen gewonnen werden. Allerdings fehlen hier noch die rechtlichen Grundlagen. 

Ziel ist es laut Umweltministerium, mindestens einen Wolf pro Rudel mit einem Senderhalsband zu versehen. Außerdem sollen Zuständigkeiten gebündelt werden: Rißbegutachtung, Tierhalterberatung, Prävention und Öffentlichkeitsarbeit werden beim Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie angesiedelt; zuständig für die Vergrämung sowie den Abschuß der Tiere bleiben die Kommunen.

Derzeit leben nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz 70 Wolfsrudel in sieben Bundesländern, 20 davon in Sachsen, wo von Januar bis Anfang Dezember vergangenen Jahres 344 Nutztiere von Wölfen verletzt oder getötet wurden.