© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/19 / 04. Januar 2019

Ene, mene, muh – und Bot bist du
Kampagne: Eine CDU-nahe Firma warnt vor dem Einfluß automatisierter Profile in sozialen Netzwerken / Experten bezweifeln Seriosität
Claudia Bach

Die Tinte von Angela Merkels Unterschrift unter dem UN-Migrationspakt in Marrakesch war eben trocken, da schimpfte mancher in der Politik schon auf die, die angeblich schuld sind an der vorherigen Aufregung um das Vertragswerk: Maschinen. Daß insbesondere in den sozialen Netzwerken der Sinn und Nutzen des Pakts vehement bezweifelt wurde, dafür seien sogenannte Bots verantwortlich, also automatisiert arbeitende Computerprogramme (JF 7/17). Die erweckten nach außen hin den Anschein, als würden zahlreiche Menschen ihren Protest gegen das UN-Dokument ausdrücken, in Wirklichkeit sei dies bloß von einer Handvoll Personen gesteuert worden. Im Verdacht stehen vor allem „rechte Netzwerke“.

„Das darf genau 1 Mal passieren, daß Roboter uns Debatten aufzwingen“, empörte sich die Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Katja Leikert bei Twitter. Ihr Kollege und Fraktionschef Ralph Brinkhaus forderte gar, gesetzlich gegen Manipulationen, Lügen und Diffamierungen in sozialen Netzwerken vorzugehen, etwa durch eine Kennzeichnungspflicht für Bots. Es sei allerhöchste Zeit, aufzuwachen, da 2019 in Deutschland „ein Superwahljahr“ anstehe.  

Mit ins Rollen gebracht hatte dies eine Studie der Firma Botswatch. Die in Berlin residierende GmbH will in den Wochen vor der Konferenz in Marrakesch umfangreiche Analysen der Meldungen zum Thema auf dem Kurznachrichtendienst Twitter ausgewertet haben. Demnach sollen rund 28 Prozent aller einschlägigen Tweets zum Migrationspakt nicht von realen Personen, sondern von Bots stammen. Bei sonstigen politischen Diskussionen liege der Anteil computergenerierter Posts indes nur bei rund 15 Prozent. Tätigkeitsschwerpunkt von Botswatch ist laut Handelsregister die Analyse digitaler Kommunikation und die Entwicklung der hierzu notwendigen Software. Sitz der Firma ist ein Mehrfamilienhaus in der Berliner Albrechtstraße, welches auch heute noch der Koepjohann’schen Stiftung gehört, einer Einrichtung, die bereits 1792 zur Förderung von Witwen und Waisen gegründet wurde. Auf dem Klingelschild sucht man jedoch vergebens nach dem Namen der Firma. Mit einer Ausnahme werden dort lediglich Privatpersonen ausgewiesen. Allerdings residiert hier ein Unternehmen, dessen offensichtlicher Zweck es ist, den Postempfang für zahlreiche Gewerbetreibende sicherzustellen, denn gemeldet sind unter der Anschrift mehr als zehn weitere Firmen, überwiegend aus der Medienbranche. 

Ob hier tatsächlich Betriebsräume vorhanden sind, in denen fleißige Programmierer mit eigens dafür entwickelter Software das Internet nach Bots durchsuchen, ist daher mehr als fraglich. Generell ist das Geschäftsmodell von Botswatch nicht wirklich nachvollziehbar. Unklar ist, welcher Marktteilnehmer – jenseits eines rein akademischen Interesses – Geld für die Angebote von Botswatch ausgeben könnte. Auf der Internetseite der Firma finden sich allerlei allgemeine Informationen zur Anwendung von Bots in der politischen Kommunikation, jedoch werden einem potentiellen Kunden keinerlei konkrete Dienstleistungen oder Produkte offeriert, was für ein Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht recht ungewöhnlich ist.

Geschäftsführerin von Botswatch ist Tabea Wilke. Die studierte Kommunikations- und Politikwissenschaftlerin ist in den letzten Jahren zu einem gefragten Ansprechpartner für verschiedene Medien geworden, worauf auf dem Netzauftritt von Botswatch ausführlich hingewiesen wird. Zuvor hatte Wilke als Pressesprecherin für den damaligen Berliner Sozialsenator Mario Czaja (CDU) gearbeitet. Auch danach tauchte sie häufig in christdemokratischen Zusammenhängen auf. Eine enge Beziehung scheint insbesondere zu Sandra Busch-Janser zu bestehen, der Leiterin für politische Kommunikation der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. Busch-Janser hatte zuvor für verschiedene Netzportale, wie etwa „politnews.eu“ oder den Think-Tank „Polisphere“ gearbeitet, die ihren Sitz ebenfalls unter derselben Postanschrift in der Berliner Albrechtstraße haben. 

Im Beirat von Botswatch sitzt auch der Ehemann von Busch-Janser, der mindestens eine Firma unter der besagten Adresse in Berlin-Mitte betreibt. Florian Busch-Janser fungiert zudem als „Ansprechpartner für Medienvertreter, Investoren und Kooperationen“ der Cyber Innovation Hub der Bundeswehr, laut Eigendarstellung die „Schnittstelle“ zwischen Startup-Szene und Truppe, bestehend „aus Soldaten, Zivilisten und Serial Entrepreneurs, die ihren Beitrag für einen erfolgreichen digitalen Wandel der Streitkräfte leisten möchten.“ 

Ebenfalls Mitglied im „Advisory-Board“ von Botswatch ist Axel Wallrabenstein, CDU-Mann, bekennender Merkel-Fan und einst in den neunziger Jahren Bundesgeschäftsführer der Jungen Union. Hauptberuflich Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft MSL Group Germany, lobbyierte er für deren Kunden Google in der deutschen Politik. Wallrabenstein engagiert sich zudem – wie auch Wilke – für den unionsnahen digitalpolitischen Verein C-Netz. 

„Nie mehr als ein paar   hundert Bots entdeckt“

Kritiker bezweifeln, daß Botswatch überhaupt in der Lage ist, Bots von normalen Internetnutzern sicher zu unterscheiden. Entsprechende Anfragen zu technischen Details oder zu den von Botswatch für eine solche Differenzierung zugrunde gelegten Kriterien läßt die Firma entweder unbeantwortet oder sie versteckt sich hinter vertraglichen Verpflichtungen zur Geheimhaltung. 

Ihm sei „kein Fall bekannt, in dem ein Social Bot eine politische Debatte beeinflußt hätte“, betonte der Medieninformatiker Florian Gallwitz in der Neuen Zürcher Zeitung. Davon, daß die Programme jemanden politisch überzeugen könnten, sei die Technik Jahrzehnte entfernt. Auch Luca Hammer, Analyst für soziale Medien, hatte den Einfluß von Computerprogrammen auf politische Auseinandersetzungen bezweifelt. „Bei bisherigen Untersuchungen hat man nie mehr als ein paar hundert Bots entdeckt, die auf deutsch zu politischen Themen twittern.“

Tabea Wilke indes offenbarte bei öffentlichen Äußerungen zum Thema Bots kein besonderes technisches Fachwissen. In der Gesamtschau scheint es sich bei ihrer Firma Botswatch eher um einen ideellen Ableger des Konrad-Adenauer-Hauses als um ein unabhängiges IT-Unternehmen zu handeln.