© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/19 / 04. Januar 2019

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Mehr als Bimbes aus Baku
Paul Rosen

Mit der Kontrolle von Lobbyisten tut sich der Bundestag schwer. Die Hürden für die Ausgabe von Hausausweisen wurden erhöht, damit nicht mehr jeder Interessenvertreter einfach so durchs Parlament laufen kann. Ein verbindliches Lobbyistenregister, wie von Linken und Grünen gefordert, stößt bei anderen Fraktionen auf wenig Gegenliebe. Man beläßt es daher bei einer unverbindlichen Liste, in die sich die eintragen können, die es wollen. Gegen den Lobbyismus von innen gibt es ohnehin kaum Möglichkeiten. Einer der drastischsten Fälle dieser Art betrifft die CDU-Abgeordnete Karin Strenz, der vorgeworfen wird, gegen die Verhaltensregeln des Bundestages verstoßen zu haben. Strenz soll Zahlungen, die angeblich für „Beratertätigkeit“ erfolgten, zu spät beim Bundestagspräsidenten gemeldet haben. 

Die aus Mecklenburg-Vorpommern stammende Politikerin war bereits in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats aufgefallen. Dort kam eine Untersuchungskommission zu dem Schluß, Strenz habe zusammen mit Abgeordneten aus mehreren Ländern für die Interessen des Staates Aserbaidschan gearbeitet. Im Europarats-Gebäude in Straßburg haben Strenz und auch der frühere CSU-Bundestagsabgeordnete Eduard Lintner heute Hausverbot. Lintner ist in dem Fall ohnehin eine Schlüsselfigur. Von dessen Beraterfirmer „Line M-Trade“ erhielt Strenz Geld, wußte nach eigenem Bekunden aber nicht, daß das Geld aus Aserbaidschan stammte. In Aserbaidschan war die Abgeordnete als Wahlbeobachterin für den Europarat gewesen. 

Im Bundestag ruhte der Fall Strenz lange im Aktenschrank von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, obwohl die Verwaltung die Untersuchung wohl schon im Sommer abgeschlossen hatte. Das sei viel zu lange, wie inzwischen mehrere Abgeordnete monierten. Offenbar hat der gerade an einer größeren Umstrukturierung der Bundestagsverwaltung zur Schaffung weiterer Versorgungsposten arbeitende Präsident wenig Neigung, sich noch mit dubiosen Geldzahlungen zu beschäftigen. Doch der Druck auch aus Straßburg ist einfach zu groß, so daß Schäuble das Bundestagspräsidium Mitte Januar 2019 informieren will. Viel zu befürchten hat Strenz aber nicht. Sollte Schäuble von einem minder schweren Fall ausgehen, erhält die CDU-Politikerin eine Ermahnung. Sollte das Präsidium jedoch zum Schluß kommen, der Fall wiege schwerer, könnte es für Strenz eine öffentliche Rüge und eventuell ein Ordnungsgeld geben. Für den Ex-Abgeordneten Lintner gibt es gar keine Konsequenzen. 

Der Fall zeigt eine weitere Dimension des Lobby-Problems: Ehemalige Abgeordnete sind bestens im Haus vernetzt und kommen auch jederzeit hinein. Sie können nach dem Ende des Mandats risikolos und ohne Wartezeit (wie bei Regierungsmitgliedern) als Lobbyisten tätig werden. Die Fälle sind zahlreich und erscheinen in keinem Register. Der jüngste Fall dieser Art ist der Grünen-Abgeordnete Gerhard Schick, der sein Mandat und damit seinen Sitz im wichtigen Finanzausschuß des Bundestages zum Jahresende niederlegt, um als Lobbyist für die „Finanzwende“ tätig zu werden.