© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/19 / 04. Januar 2019

Das allmächtige EU-Narrativ verhindert Alternativen
Die Westbalkan-Union
Harald Weyel

Nach dem gescheiterten Referendum in Mazedonien trat die Problematik des EU-Beitritts der Westbalkanstaaten für einen kurzen Moment wieder ins öffentliche Bewußtsein. Die Abstimmung endete zwar mit einem überwältigenden Ergebnis pro Union, allerdings war nur etwas mehr als ein Drittel der Wahlberechtigten zur Abstimmung erschienen, so daß diese ungültig ist. In den interessierten Kreisen, sowohl in Mazedonien als auch der EU, deutet man das Ergebnis als Zustimmung und will die Sache nun parlamentarisch erzwingen. Das paßt gut ins Bild, das die EU in Zukunftsfragen macht. Da werden völlig unverbindliche Online-Konsultationen zur Frage der Sommerzeit durchgeführt; ob man allerdings das Armenhaus Europas in die Union aufnehmen sollte, wird nicht als diskussionswürdig erachtet, obwohl es den Import neuer Konflikte bedeutet.

Die Haltung der EU ist klar: Der Westbalkan hat eine europäische Perspektive, die es einzulösen gilt. Serbien und Montenegro wurde für 2025 ein EU-Beitritt in Aussicht gestellt. Für Albanien und Mazedonien gibt es positive Signale. Bosnien-Herzegowina will zwar, allerdings bislang ohne konkrete Perspektive. Einzig das Kosovo hat noch keinen Antrag gestellt. Was für unbedarfte EU-Bürger wie eine unverbindliche Absichtserklärung klingt, kostet aber bereits Geld. Durch das Instrument der Heranführungshilfe werden von 2014 bis 2020 circa sieben Milliarden Euro an die Westbal­kanstaaten verteilt. Trotz dieser Hilfen, die vor Ort rechtlich und wirtschaftlich kompatible Verhältnisse zur EU schaffen sollen, dürfte klar sein, daß die Kandidaten die Anforderungen in naher Zukunft nicht erfüllen können.

Das allmächtige Narrativ vom Friedensgaranten EU verhindert auch hier jeglichen Gedanken an Alternativen. Dabei liegt die Antwort auf der Hand. Die Abstände zwischen der EU und den Westbalkanstaaten sind wirtschaftlich gigantisch. Wenn man sie untereinander vergleicht, liegen sie so nah beieinander, daß sich die Möglichkeit einer „Westbalkan-Union“ geradezu aufdrängt. Dafür gibt es in Europa historische Vorbilder, wie die Benelux-Staaten, die schon vor der EU eine Zollunion vereinbarten. Aktuell finden sich Beispiele in Südamerika, wo es verschiedene Zusammenschlüsse unterschiedlicher Staaten gibt, etwa die Andengemeinschaft. Die gemeinsame geographische Lage, eine ähnliche Wirtschaftsleistung und die gleichen strukturellen Probleme lassen die Artikulation gemeinsamer Interessen zu. Ohne EU-Umverteilungsmaschine ließen sich so die Gemeinsamkeiten auf dem Balkan stärken, die vor allem immer wieder dadurch gefährdet werden, daß sich die einzelnen Staaten von der EU gegeneinander ausspielen lassen, um möglichst bald in den Genuß des Umverteilungsvermögens zu kommen.






Prof. Dr. Harald Weyel ist Ökonom und AfD-Bundestagsabgeordneter.