© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/19 / 04. Januar 2019

Zehn Kugeln Eis
Energiewende: Höhere Öl- und Gaspreise, der Netzausbau und die Öko-Umlagen treiben die Stromkosten
Marc Schmidt

Die Struktur des Primärenergieverbrauchs in Deutschland hat sich im vergangenen Jahr kaum verändert: Knapp vier Fünftel der Ener-gie für Heizung, Strom, Verkehr und Wirtschaft wurden aus Öl, Gas und Kohle erzeugt. Der Anteil der vom Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) erfaßten Quellen, also vor allem Wind- und Wasserkraft, Biogas sowie Photovoltaik und Erdwärme, stieg dabei leicht von 13 auf 14 Prozent – sprich: eine völlig CO2-freie Energieerzeugung ist illusorisch.

Immerhin sank aber zu Jahresbeginn die EEG-Zwangsumlage von 6,792 auf 6,405 Cent pro Kilowattstunde. Dennoch haben alle großen Stromanbieter für dieses Jahr Preissteigerungen angekündigt. Dies wird mit den gestiegenen Einkaufspreisen der Anbieter an der Leipziger Strombörse, der European Energy Exchange (EEX) begründet. Nachdem das Überangebot subventionierten EEG-Stromes seit 2012 die Nettostrombörsenpreise auf knapp 2,9 Cent pro Kilowattstunde im Jahr 2016 gedrückt hatte, kennt die EEX bei allen Angebotsformen seit zwei Jahren nur den steilen Preisanstieg.

Auch die Öl- und Gaspreise verteuern den Strom

Voriges Jahr zahlten die Anbieter von Emma Energie, über Voltera bis Yello Strom an der Börse bereits im Durchschnitt 4,4 Cent pro Kilowattstunde – mit weiter deutlich steigender Tendenz zum Jahreswechsel. Da die meisten Strom­anbieter bei der Kalkulation ihrer Tarife für 2018 einen deutlich niedrigeren Börsenpreis erwartet hatten und die Einkaufspreiserhöhungen nicht vollständig an die Kunden weitergeben konnten, war bereits das vergangene Jahr für die meisten Unternehmen ein schlechtes mit wenig oder keinem Gewinn. Für 2019 erwarten die Analysten ein durchschnittliches EEX-Preisniveau von 5,2 Cent pro Kilowattstunde und mehr im Einkauf, weshalb neben allen Neukundentarifen auch die Bestandskundentarife der günstigen Anbieter erhöht werden.

Wie jede Börse reagiert die EEX auf Marktentwicklungen und politische Tendenzen. Die deutsche Energiepolitik denkt über weitere Reformen des Marktes und einen noch stärkeren Netzausbau nach. Beide Entwicklungen gehen zu Lasten der Stromanbieter, die für die monopolistischen Netzbetreiber die Kosten des Netzausbaus für EEG-Strom über die steigenden Netzentgelte im Strompreis beim Kunden hereinholen müssen. Die angespannte Weltlage treibt zudem über den Ölpreis nicht nur die Spritpreise für die deutschen Autofahrer nach oben. Durch den voranschreitenden Ausstieg aus der Kernenergie und die unsichere Zukunft der Kohlekraftwerke gewinnt die teure Stromerzeugung aus Gas immer weiter an Bedeutung.

Der Erdgaspreis als Primärrohstoff ist an den Ölpreis gekoppelt, weshalb dieser Energierohstoff nicht nur fürs Heizen, sondern auch für die Stromproduzenten teurer wird. Da die Erwartungen zukünftiger Entwicklung die Börsenkurse bestimmen und der Energieverbrauch im Winter bei geringeren Ökostrommengen steigt, werden die Börsenpreise und somit die Endkundenpreise weiter steigen. Dieses Jahr werden durchschnittliche Verbraucherpreise beim Endkunden (inklusive umgelegter Grundgebühr/Arbeitspreis) von knapp 32 Cent pro Kilowattstunde erwartet. Damit wäre Deutschland dann bei den Strompreisen unangefochtener Europameister.

Alle Stromkunden – außer Großverbrauchern wie Industrieunternehmen – zahlten in Deutschland 2018 im Jahresdurchschnitt 29,86 Cent pro Kilowattstunde. Der Strompreis hat sich damit seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt. Damals lag der Preis bei 13,94 Cent pro Kilowattstunde. Der Preisanstieg seit 2010 beträgt mehr als 22 Prozent. Mit knapp 30 Cent pro Kilowattstunde zahlten die Deutschen 2018 den zweithöchsten Strompreis in Europa. Nur die Dänen zahlten mit 30,8 Cent noch etwas mehr.

Ein Windrad verdient mehr als 500 Euro pro Stunde

Vor 15 Jahren, als das EEG noch keine Fahrt aufgenommen hatte, versprach der damalige Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne): „Es bleibt dabei, daß die Förderung erneuerbarer Energien einen durchschnittlichen Haushalt nur rund einen Euro im Monat kostet – so viel wie eine Kugel Eis.“ Die rot-grüne Bundesregierung war zwar ein Jahr später Geschichte, aber unter der Klimakanzlerin Angela Merkel wurden aus einer Kugel mindestens zehn Kugeln Eis: Die EEG-Umlage verzehnfachte sich.

Zentraler Strompreistreiber bis ins Jahr 2016 waren eindeutig die EEG-Umlage und weitere Ökoabgaben. Allein die EEG-Umlage stieg von 0,65 Cent pro Kilowattstunde im Jahr 2005 auf heute 6,405 Cent pro Kilowattstunde. Ein durchschnittlicher Privathaushalt mit einem Jahresverbrauch von 3.600 Kilowattstunden zahlte entsprechend statt 1,23 Euro (2003) 20,37 Euro (2018) allein für die bis heute rechtlich umstrittene EEG-Umlage.

Die garantierte, stark über dem Marktpreis liegende Einspeisevergütung für Strom aus Windrädern und Photovoltaikmodulen lockte zahlreiche Investoren an, die ihre Projekte schnell refinanzieren konnten. Im Jahr 2000 erhielt jeder Produzent 50,62 Cent pro Kilowattstunde garantierte Vergütung, entsprechende Windräder verdienen mehr als 500 Euro pro Stunde, da der damalige Einspeisevergütungssatz über die Laufzeit von 20 Jahren garantiert worden ist. Dieser Satz wurde in den Folgejahren immer weiter gesenkt, heute garantiert das EEG im Rahmen einer gestaffelten Einspeisevergütung etwa zwölf Cent pro Kilowattstunde.

Das Auslaufen der Förderung der ältesten Anlagen nach 20 Jahren Subventionsbezug sorgt dafür, daß die EEG-Umlage in diesem Jahr zum zweiten Mal seit ihrer Einführung leicht sinken wird. Die reinen monatlichen EEG-Kosten für den Beispielhaushalt sinken durch diese Kürzung auf 19,22 Euro, wobei dies aufgrund der Börsenpreisentwicklung nicht beim Verbraucher ankommt.

Forderungen nach einer Abschaffung des EEG oder auch nur einer nachträglichen Kürzung der Subventionszeit auf weniger als 20 Jahre haben alle Bundesregierungen unter Angela Merkel wiederholt eine Absage erteilt, obwohl moderne Anlagen auch auf eine kurze Laufzeit gerechnet längst Stromproduktionskosten unterhalb des Marktpreises aufweisen, also eigentlich wirtschaftlich arbeiten können.

Insgesamt machten 2018 Umlagen wie das EEG 30,7 Prozent des deutschen Durchschnittsstrompreises aus, je günstiger der Tarif, desto höher der prozentuale Anteil. Neben der EEG-Umlage zahlen die deutschen Verbraucher die Konzessionsabgabe, die Umlage zur Förderung von Kraft-Wärme-Kopplungen, die Offshore-Haftungsumlage, die Umlage für die Bereitstellung abschaltbarer Lasten durch die Schwerindustrie und die Umlage zur Förderung für abgesenkte Netzentgelte. Zum Vergleich: Der Gewinn der meisten Stromanbieter liegt nach Steuern bei zirka 0,8 Cent pro Kilowattstunde, was weniger als drei Prozent des Preises ausmacht.

Strombörse European Energy Exchange/EEX:  www.eex.com/de/