© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 02/19 / 04. Januar 2019

Im Erhalt unserer Kultur und Zivilisation liegt die Schicksalsfrage unserer Zeit
Macht und Identität
Johannes Eisleben

Macht ist ein „universelles Element menschlicher Vergesellschaftung“ (Heinrich Popitz, „Phänomene der Macht“, Tübingen, 1992): Sie ist immer da, wenn Menschen miteinander in Beziehung treten. Dies gilt auf allen Ebenen von der Familie bis zu staatlichen Institutionen. Macht bedeutet laut Max Weber „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“. Dabei bilden Menschen relativ homogene Gruppen, aus denen heraus Machtansprüche vorgetragen werden.

Seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland waren die in den Machtkampf involvierten Gruppen bis Ende der 1960er Jahre im wesentlichen noch die politisch-ökonomischen Klassen des 19. Jahrhunderts. Doch als der Klassenkampf durch Massenwohlstand, Sozialstaat und die Errungenschaften der Arbeiterbewegung seinen Schwung verlor und die Linke die Arbeiter- und Angestelltenklasse nicht mehr politisieren konnte, suchte sie sich ein kulturelles Feld als neuen Aktionsbereich. Sie begann, im Rahmen der Identitätspolitik, Machtkämpfe wie folgt zu verstehen: als Kämpfe von Gruppen (Frauen, Minderheiten), die sich selbst als Opfer definieren, um staatliche Privilegierung. Dabei legten die Linken zwei Konstituenten ihrer historischen Substanz ab: das Engagement für die sozial Schwachen und die Nation als politischen Handlungsrahmen; ab jetzt ging es um kulturell statt sozial definierte Gruppen und um die Welt an Stelle der Nation.

Übrig blieb die linke Zersetzung der gesellschaftlichen Substanz und der Freiheitsrechte im Kampf um staatliche Privilegierung wechselnder, ständig neu definierbarer Opfergruppen. Diese linke Identitätspolitik ist eigentlich eine Machtpolitik, die die Grundlagen unserer Staates erodiert, indem sie sowohl der Idee der abstrakten Legitimierung staatlicher Macht durch den Gesellschaftsvertrag als auch der Isonomie (also der Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz) zuwiderläuft.

Doch seit einiger Zeit erleben wir neue Machtansprüche, gespeist aus fremden Identitäten: Seit Beginn der Einwanderung nach Europa ab der Dekolonisation in den 1950er Jahren sehen wir, zunächst langsam, nun verstärkt durch die von Merkel 2015 ausgelöste Massenzuwanderung nach Europa und Deutschland, die stetige Zunahme eines vielschichtig vorgetragenen Machtanspruchs von Migranten.

Die Migranten streben – und dies ist aus ihrer Sicht vollkommen rational – Macht aus ihrer tradierten kulturellen Identität heraus an, in der sie als Individuen äußerst fest verankert sind. Toleriert das Gastgeberland von der eigenen Kultur und dem eigenen Recht abweichendes Verhalten der Migranten, ist die Realisierung von Machtansprüchen bereits auf individueller Ebene möglich. Es beginnt damit, die Unterdrückung von Frauen öffentlich zu demonstrieren. Weitergehende Schritte sind die Nutzung des deutschen Rechtssystems, um die rechtmäßige Abschiebung auf unbestimmte Zeit hinauszuzögern oder eigenes strafbares Verhalten wie Polygamie von Gerichten rechtfertigen zu lassen. Noch extremer ist die regelmäßige Anwendung körperlicher und sexueller Gewalt gegen Bürger des Gastgeberlandes, im derzeit noch berechtigten Vertrauen darauf, als Täter mit „schuldrelativierendem kulturellen Hintergrund“ dafür nicht ernsthaft belangt zu werden.

Erhebt eine Gruppe Machtansprüche, ohne daß die davon betroffene Gruppe sich wehrt, wird der Anspruch durchgesetzt. Wir können dem Machtanspruch der Migranten adäquat begegnen, indem wir uns auf unsere gemeinsame Identität besinnen.

Doch auf gesellschaftlicher Ebene können Menschen langfristig und nachhaltig nur Machtansprüche erheben, wenn sie sich mit Hilfe von Interessengruppen organisieren. Die natürliche Gruppe ist die eigene kulturelle oder bei Migranten zumeist die eigene ethnisch-kulturelle Gemeinschaft. Übersteigt nämlich das Ausmaß der Zuwanderung in ein kulturell fremdes Land dessen Assimilationskapazitäten (Paul Collier), so bilden die Zuwanderer darin soziokulturelle Enklaven, die sich nicht assimilieren, sondern ihre eigene Kultur weiterleben. In diesen Enklaven organisieren sich Gruppen von Einwanderern gemäß ihrer eigenen Kultur, was dort bis zum bewußten, systematischen Ignorieren von Recht und Gesetz des Gastgeberlandes geht. Damit wird ein Machtanspruch erfolgreich durchgesetzt, denn die für die Existenz des Staates essentiellen monopolistischen Ansprüche wie etwa auf Gewaltausübung, Steuereintreibung oder Rechtsdurchsetzung werden systematisch und dauerhaft verletzt.

Parallel dazu finden zahlreiche weitere Initiativen zur Durchsetzung eigener Machtansprüche statt. So haben die nicht-assimilierten türkisch-muslimischen Zuwanderer sich eigene Verbände und Lobbygruppen geschaffen, die versuchen, die Islamisierung Deutschlands durch Nutzung staatlicher Institutionen wie etwa des Bildungssystems voranzutreiben. Je mehr Muslime eingebürgert werden, desto stärker werden sie als Wahlberechtigte die Islamisierung auch über Legislative und Exekutive direkt anstreben. Eine Teilislamisierung öffentlicher Ämter hat bereits begonnen, wie der Fall der damaligen Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Aydan Özoguz, deutlich gezeigt hat, als sie 2017 die Existenz deutscher Kultur über die Sprache hinaus negierte.

Eine andere Form der Durchsetzung von Machtansprüchen der eigenen kulturellen Gruppe ist die organisierte Kriminalität, die zahlreiche arabischsprachige Sippen im großen Stil betreiben. Insgesamt ist der Machtanspruch besonders von muslimischen Migrantengruppen gegen Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Wissenschaftlichkeit gerichtet. Damit ist das Ziel die Überwindung der abendländischen Kultur – was beispielsweise der türkische Machthaber Erdogan auch so verkündet.

Erhebt eine Gruppe Machtansprüche, ohne daß die davon betroffene Gruppe sich hinreichend wehrt, wird der Anspruch durchgesetzt. Wir können dem Machtanspruch der Migranten adäquat begegnen, indem wir uns auf unsere gemeinsame Identität besinnen. Sie hat im Machtkampf zwei Hauptfunktionen: eine nach innen und eine nach außen wirkende. Im Inneren ermöglicht die gemeinsame Gruppen­identität friedliche Koexistenz und koordiniertes Handeln, um kulturelle Leistungen zu erbringen. Die Träger der Gruppenidentität können sich im wesentlichen aufeinander verlassen, weil sie gemeinsame, implizite und tief verinnerlichte Werte haben und ähnliche Ziele verfolgen. Der Staat gibt den Rahmen für Fälle, in denen die gemeinsame Identität nicht ausreicht, um Konflikte ohne eine neutrale, autoritative Instanz zu lösen. Dies funktioniert nur, weil die gemeinsame Identität die Lösung fast aller Konflikte ermöglicht: Das Eingreifen des Staates muß die Ausnahme sein, sonst ist der Staat sofort überfordert – wie dies in Berlin bereits deutlich der Fall ist, weil sich dort eine den Rechtsstaat verachtende Gruppenidentität etabliert hat.

Nach außen ermöglicht die Gruppenidentität die Abwehr von fremden Machtansprüchen. Traditionell wurden diese militärisch vorgetragen und ebenso abgewehrt. So war die Abwehr der Türken vor Wien eine Leistung gemeinsamer abendländischer, christlicher Identität. Ohne die Abwehr der islamischen Expansion ab dem 7. Jahrhundert wäre das christliche Abendland gar verschwunden.

Warum wehren wir uns nicht? Warum schieben wir nicht ab, warum lassen wir unsere Grenzen offenstehen? Weil die Herrschaftseliten unsere eigene Kultur ablehnen und nicht mehr Teil der tradierten regionalen und nationalen Gruppenidentität sein wollen.

In der Gegenwart wird der Machtanspruch auf Durchsetzung der eigenen Kultur vom Islam und auch von Einwanderergruppen archaischer Kulturen wie etwa aus Schwarzafrika im Inneren unseres Landes aggressiv vorgetragen. Warum wehren wir uns nicht? Warum verköstigen wir die Aggressoren und tolerieren dabei deren rechtswidrige Bräuche? Warum schieben wir noch nicht einmal Migranten ab, die kein Bleiberecht haben oder kriminell sind? Warum lassen wir unsere Grenzen offenstehen?

Weil die Mehrheit der Mitglieder unserer Herrschaftseliten in der Exekutive samt deren Behörden und in der Judikative unsere eigene Kultur ablehnen und nicht mehr Teil der tradierten regionalen und nationalen Gruppenidentität sein wollen. Sie öffnen unser Land aus Haß auf die tradierte abendländische Gruppenidentität dem Machtanspruch fremder Kulturen, die die hochkomplexe Kultur der Industriegesellschaft nicht kennen. Dabei werden die Konsequenzen ignoriert, die Tribalisierung, Verrohung und Privatisierung der Gewalt in der Gesellschaft wird zugelassen. Denn die deutsche Führungselite akzeptiert nicht mehr unsere historisch gewachsene Identität. Vielmehr streben unsere Herrschaftseliten das Ziel der obrigkeitlichen Schaffung einer europäischen Pseudo-Identität an (Ulrich Schacht „Selmayr – Deutsche Profile eines Dritten Totalitarismus I“, in: Tumult, Sommer 2018). Diese globale Pseudo-Identität ist geprägt von einer gesinnungsethischen Verabsolutierung des Humanismus mit allen Menschen der Welt als seinen Subjekten – ohne Ansehen der Verschiedenartigkeit der Kulturen, und vor allem ohne sich dessen bewußt zu sein, daß unsere abendländische Kultur selbst nichts Absolutes ist, sondern nur eine mögliche Ausprägung von Kultur.

Diese verabsolutierte Kultur der Hypermoral, die Arnold Gehlen Humanitarismus genannt hat, soll nun global „ausgerollt“ werden. Die Protagonisten dieser Hypermoral übersehen dabei, daß Gruppenidentitäten immer der Machtdurchsetzung dienen – sowohl die des Islams mit dem Streben nach Herstellung der Umma, als auch ihre eigene humanitaristische Kultur. Denn die schein-moralischen Motive von Weltethos-Treibern wie George Soros sind oftmals ökonomischer Natur. Außerdem verstehen diese Pseudo-Identitären nicht, daß sich zwar Institutionen von der Obrigkeit künstlich erschaffen lassen, diesen aber weder Dauer beschieden ist, noch der Staat jemals in der Lage sein kann, Kultur von oben herab zu definieren: Kultur entsteht in einem historischen Prozeß spontan von unten.

Die breite Mehrheit der Bevölkerung will keine globale Identität, sondern an ihren tradierten Gruppenidentitäten festhalten, weil dies für uns Menschen überlebenswichtig ist. Je später wir uns neue Eliten wählen, die sich auf unsere eigene Kultur und Identität besinnen, anstatt sie zu hassen, desto mehr wird der Machtanspruch der Migranten sich durchsetzen. Auf dem Spiel steht der Erhalt unserer abendländischen Kultur und damit unsere Geschichte, die uns zu einer historisch einzigartigen Zivilisation der unverrückbaren Rechte des einzelnen geführt hat. Damit dies nicht geschieht, müssen wir den Migranten abverlangen, Teil unserer Kultur zu werden. Dabei können sie diese durchaus bereichern – aber nur, wenn das Ausmaß der Einwanderung eine Assimilation zuläßt und wir die Assimilation auch durchsetzen. Beides tun wir derzeit nicht. Im Kampf um den Erhalt unserer Kultur und Zivilisation liegt die wahre Schicksalsfrage unserer Zeit.






Johannes Eisleben, Jahrgang 1971, ist Mathematiker und arbeitet als Systeminformatiker. Eisleben publiziert auf dem Portal achgut.com sowie in Tumult. Mit seiner Familie lebt er bei München. Twitterprofil: @j_eisleben

Foto: Afrikanische Asylbewerber protestieren gegen ihre Abschiebung, München, 2016: Stetige Zunahme eines vielschichtig vorgetragenen Machtanspruchs der Migranten