© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/19 / 11. Januar 2019

Dorn im Auge
Christian Dorn

Im neuen Jahr bleibt alles beim alten. Jedenfalls ist Beate Zschäpe noch keine Integrationsministerin in der von Kanzler Gauland geführten Bundesregierung, wie es die jüngste Dystopie der Comedytruppe „Brauseboys“ im Club Kookaburra für das Jahr 2023 prophezeite (JF 52/18–1/19). Dafür integriert das dortige Programm „Humor erectus“ zum Jahresanfang zahlreiche Künstler, die demnächst an Soloabenden zu erleben sind. Immerhin ist der Ort eine Institution, die dafür sorgt, daß die Leute nicht zum Lachen in den Keller gehen. Dabei sollte der in der ehemaligen Sparkassenfiliale gelegene Club eigentlich „Comedy Tresor“ heißen, befindet sich doch im Kellergeschoß der älteste Tresorraum Berlins. Tatsächlich ist der Kookaburra legendär, absolvierten hier doch Künstler wie Eckart von Hirschhausen, Cindy aus Marzahn oder Kurt Krömer ihre ersten Auftritte. So auch der brillante Chansonnier und Klavierkabarettist Sebastian Krämer, der am 25. Januar im Heimathafen Neukölln spielt. 


Völlig schmerzfrei agiert der an diesem Abend moderierende Comedy-Pianist Tom van Orten, der die Raute durch die nonverbale Geste des Gender-Sternchens ablösen will, durch die wirklich jeder gemeint sei. Überhaupt wisse man gar nicht mehr, was man sagen darf, ja noch nicht mal mehr, wie man das eigentlich sagt, was man nicht mehr sagen darf („Ohrwurmloch“, 4. bis 6. April, Kookaburra). Der diplomierte Kellner Ulli Lohr bedient derweil mit schwüler Exzellenz das Schöneberger Milieu im vegetarischen Restaurant Röhrender Hirsch („Lohrbär“, jeden dritten Mittwoch, ab 17. Januar, Kookaburra). Frei von politischer Korrektheit agiert der kalauernde Brite Johnny Armstrong, ein studierter Maschinenbauer, dessen mehrfach preisgekrönte „sick comedy“ als „very healthy“ gepriesen wird. So berichtet Armstrong vom Deutschkurs in Neukölln, durch den er nun perfekt türkisch könne. Die türkische Freundin sei dann wie ein Döner gewesen: ziemlich fett, abgedreht – aber manchmal auch scharf („Gnadenlos“, 23. Januar, Kookaburra). Klassenkämpferisches Kabarett gegen Miethaie serviert Tom Ehrlich, der Immobilien-Investoren von illegalen Geschäften abrät, denn: „Die sind gar nicht nötig.“ („Uns geht’s doch gut, oder?“, 25. Januar, Zimmertheater Steglitz). Die Weisheit liegt freilich beim Hausherrn des Kookaburra Sanjay Shihora: „Die meisten Menschen suchen ein Leben lang nach dem Sinn des Lebens. Nicht weil sie ihn nicht finden, sondern weil ihnen die erste Antwort nicht gefallen hat.“ („Der UnSinn des Lebens“, 3. April und 1. Mai).