© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/19 / 11. Januar 2019

Systematische Ausgrenzung
Neben dem NetzDG: Wie Reichweiteneinschränkungen konservative Stimmen behindern
Ronald Gläser / Gil Barkei

Die Mitarbeiter des New Yorker Twitter-Büros schauten verdutzt, als sich am 29. November Laura Loomer dort mit einer Handschelle an die Tür kettete. Die jüdische Aktivistin war zuvor von dem Netzwerk gelöscht worden. Ein politisch motivierter Eingriff aus Sicht Loomers, die dem Dienst unterstellt, er diskriminiere Konservative. Die 25jährige klagt über Zensur: „Twitter unterstützt die Scharia, wenn sie mich dafür verbannen, daß ich Fakten über die Scharia verbreite.“ Nach zwei Stunden beendete sie ihren Auftritt mit einem gelben Judenstern am Revers und einem Plakat in der Hand.

Die Debatte über Zensur in den sozialen Netzwerken bleibt. In der Welt der sozialen Netzwerke sind rechte, konservative Nutzer schon lange nicht mehr auf der Überholspur. Eine Melange aus staatlichen Maßnahmen (NetzDG), geheimen Firmenregeln (Shadowbanning) und Boykottaktionen anderer Nutzer (Blockierlisten) legt ihnen immer neue Steine in den Weg. Erst Ende vergangenen Jahres stoppte Facebook seine Debatteninitiative „Common Ground“. Facebooks Vize-Politikchef Joe Kaplan hatte befürchtet, das Projekt könne konservativen Kritikern und ihren Benachteiligungsvorwürfen eine Plattform geben. Andere Maßnahmen der Firmen sind undurchsichtiger. Zwar kennt jeder die Geschichten gesperrter Facebook- Nutzer, wie den prominenten Fall von Hamed Abdel-Samad (JF 50/18). Weitere unterschwellige Techniken zur Drosselung der Reichweite der Nutzer sind zweifellos vorhanden, aber weniger bekannt. Wer das verstehen will, muß untersuchen, wie Facebook funktioniert. Das Programm bevorzugt Beiträge mit Fotos und Videos, zensiert jedoch Pornographie. Zudem priorisiert Facebook seit einer Algorithmusumstellung 2018 normale Personenprofile, so daß Beiträge von Freunden eher angezeigt werden als die von Geschäftsaccounts von Unternehmen, Parteien oder Medien.

Laut Medienanwalt rechtswidrige Eingriffe

Profit macht Facebook mit gesponserten Inhalten: Wer eine professionelle Seite (auch Fanpage) betreibt, der muß also bezahlen, wenn er alle seine Abonnenten erreichen will. Die genauen Details der Programmierung sind Geschäftsgeheimnis. So wie der US-Konzern nichtzahlenden Kunden die Reichweite herunterdimmt, so kann er auch mißliebige Personen in ihrer Reichweite beschneiden. Oftmals, ohne daß diese einen Verdacht schöpfen.

Ein regierungskritischer Facebooknutzer, der aus Furcht vor noch stengeren Einschränkungen anonym bleiben will, berichtet von einem auffälligen Wegfall seiner Follower: „Gerade vergangenes Jahr war das extrem, da bin ich von 28.000 auf 16.000 bis 17.000 runter.“ Nutzer hätten ihm zudem erzählt, daß ihr Abo seiner Seite ohne ihr Wirken plötzlich deaktiviert gewesen sei. Ähnliches schildert der bekannte Medienanwalt Joachim Steinhöfel gegenüber der JF: „Meine Inhalte auf Facebook und Twitter sind zu über 90 Prozent deckungsgleich. Kurz vor der Bundestagswahl 2017 fing meine Followerzahl bei Facebook an, zu stagnieren. Im Februar 2018 lag meine Followerzahl bei Twitter bei etwa 10.000, die bei Facebook bei etwa 23.000. Heute sind es bei Twitter 25.000, die Zahl bei Facebook ist nahezu unverändert. Ein soziales Netzwerk legt bei identischen Inhalten um 150 Prozent zu, das andere stagniert. Wer glaubt, das gehe ohne rechtswidrigen Eingriff, glaubt auch an den Weihnachtsmann.“ Auf Nachfrage bei den Anwälten des US-Unternehmen, habe er lediglich die Antwort bekommen, es gebe keine Eingriffe. „Dies ist nachweislich unwahr“, betont Steinhöfel. „Mir liegen eine Reihe von eidesstattlichen Versicherungen von Followern vor, deren Abonnement meiner Seite – ohne ihr oder mein Zutun – teilweise mehrfach getrennt wurde. Mir liegen vergleichbare eidesstattliche Versicherungen auch für andere Profile vor. Derartige Manipulationen sind – anders als das Löschen von Fake-Profilen oder die Sperrung von Profilen mit nachhaltig unzulässigen Inhalten – rechtswidrig.“ Ebenfalls bereits im Bundestagswahlkampf 2017 klagten einzelne AfD-Seitenbetreiber über eingeschränkte Funktionen. Freunde könnten immer wieder nicht zu einem „Gefällt mir“ eingeladen und Beiträge nicht publiziert oder von Followern gesehen werden. Zudem sei der Status öfters auf „Seite nicht veröffentlicht“ gesetzt worden. Von Facebook hieß es dazu auf JF-Anfrage lediglich, „das beschriebene Problem ist uns nicht bekannt“.

Twitter hingegen verringert die Reichweite seiner Nutzer durch das sogenannte Shadowbanning (Schattenverbannung) und das Zwangsentfolgen. Bei ersterem können Nutzer zwar selbst ungestört agieren und Beiträge und Kommentare veröffentlichen, nur werden diese anderen Nutzern gar nicht oder nur eingeschränkt angezeigt. Zweites traf im August im deutschsprachigen Raum eine Reihe konservativer Nutzer. Der AfDBundestagsabgeordnete Petr Bystron stellte morgens bei seinem Blick auf sein Smartphone fest, daß ihm über Nacht etliche Abonnenten mit einem Schlag verlorengegangen sind. Und nicht nur er. Der Publizist Claudio Casula registrierte ebenfalls einen Rückgang. „Bei mir gut zwanzig. Auf einen Schlag“, twitterte er am Morgen des 16. August 2018. Diese Reichweitereduzierungen und Schattenverbannungen sind schwer meßbar. Gefühlt erreichen rechte Twitterer immer weniger Leute. So ist sich Harald Laatsch, AfD-Abgeordneter aus Berlin mit 14.000 Followern bei Facebook und Twitter, sicher: „Obwohl ich viel mehr Follower als früher habe, habe ich eine viel niedrigere Reichweite.“

Donald Trump kritisiert Einschränkungen

Selbst Donald Trump klagte im Oktober, mitten im Wahlkampf für den US Kongreß: „Twitter hat viele Leute aus meinem Konto gelöscht, und – wichtiger noch – sie haben etwas unternommen, das es viel schwerer macht, mir zu folgen.“ Schon im Sommer hatte der US Präsident angekündigt, die Praxis der Schattenverbannung („diskriminierend und illegal“) unter die Lupe nehmen zu wollen. Passiert ist außer Drohgebärden noch nichts.

Twitter hatte im Sommer Verbesserungen und die Überarbeitung seiner Kunden-Einordnung angekündigt. Das Unternehmen betonte gleichzeitig, es übe keine Zensur auf unterschiedliche Standpunkte aus. Dennoch begünstigt die Programmierung das Mundtotmachen Konservativer.

Zudem gilt: Wer oft blockiert wird, dessen „Wert“ als Quelle wird herabgestuft. Viele Blockierungen sind gleichbedeutend mit einer Markierung als „wertloser Inhalt“. Oft Blockierte sind häufig auch von einem „Shadowban“ betroffen. Was als Mittel gegen Spammer, Roboter oder ungewünschte Werbung gedacht ist, wird von linken Aktivisten mißbraucht, um Konservative systematisch auszugrenzen. Sie verbreiten entsprechende Blockierlisten. Bekanntestes Beispiel ist die Schwarze Liste des ZDFClowns Jan Böhmermann (JF 20 und 21/18), der rechte Twitterer von Ronald Tichy bis David Berger blockierte und seine Zuschauer aufforderte, dasselbe zu tun. Blocklisten dieser Art mit Tausenden Konten gibt es zuhauf. Selbst die Bundesregierung blockiert auf ihren Social- Media-Profilen rund 270 Nutzer.

Der Chef des Washingtoner Think Tanks Security Studies Group Jim Hanson (48.000 Twitter-Follower) faßte seine Ergebnisse in einem Gastbeitrag für Foxnews so zusammen: „Da linke Nutzer eher geneigt sind, Leute zu blockieren als rechte, sind bei Twitter am Ende übermäßig viele Konservative betroffen.“ Auf der linken Seite wird dies indes anders gesehen. So verteidigt der Chef vom Dienst der taz, Lalon Sander, neue linke Blockierlisten: „Es ist legitime Abwehr gegen eine seit Monaten und Jahren andauernde rechte Propagandakampagne.“ Die Republikaner in den USA reagieren: Im Dezember mußte Google-Chef Sundar Pichai vor dem Kongreß aussagen. Der Manager wies alle Vorwürfe zurück. Suchergebnisse seien auf Algorithmen zurückzuführen, nicht auf Manipulationen. „Ich führe dieses Unternehmen unparteilich“, betonte der Google-Chef. Vor ihm hatte Twitter-Chef Jack Dorsey bekräftigt, daß sein Unternehmen keine inhaltliche Zensur ausübe, auch wenn die Unternehmenskultur bei Twitter „eher links ausgerichtet“ sei. Es ist unwahrscheinlich, daß sich blockierte Konservative damit zufriedengeben. Möglich ist hingegen, daß die US-Regierung die Sache durch eine Regulierung zugunsten von mehr Meinungsfreiheit klärt.






Ronald Gläser sitzt für die AfD im Berliner Abgeordnetenhaus.