© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 03/19 / 11. Januar 2019

Knapp daneben
Die Zukunft der Arbeit
Karl Heinzen

Elke Hannack ist sauer. Eigentlich, so die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), müßten die großen Konzerne mit gutem Beispiel vorangehen und über den eigenen Bedarf hinaus Lehrlinge ausbilden. Das Gegenteil ist der Fall. Sparprogramme haben auch vor der Qualifizierung des Nachwuchses keinen Halt gemacht. Entsprechend ist die sogenannte Azubi-Quote, der prozentuale Anteil der Lehrlinge an den Beschäftigten insgesamt, in den meisten DAX-Unternehmen zum Teil dramatisch gesunken. Stehlen sich die Bosse der Konzerne aber wirklich aus ihrer Verantwortung, wie Elke Hannack suggeriert? Auf so eine abwegige Idee kann nur die Repräsentantin einer Organisation kommen, der schon allein wegen der Altersstruktur ihrer Mitglieder das Gespür für die Erfordernisse der Arbeitswelt von heute und morgen abhanden gekommen ist. 

Eine digitale Infrastruktur, die sich mit Albanien und Lesotho messen kann, bleibt Zukunftsmusik.

Dennoch dürfte es sich auch bis zum DGB herumgesprochen haben, daß die Industrie 4.0 vor der Tür steht, und diese hat nun einmal den Charme, daß sie mit immer weniger Beschäftigten immer mehr und immer günstiger produziert, so daß auch arbeitslose Bezieher von bedingungslosem Grundeinkommen sich einiges werden leisten können. Warum also sollte man Leute ausbilden, die später niemand braucht, weil die Arbeit von Robotern erledigt wird? Zuzugeben ist allerdings, daß diese Zukunftserwartungen nicht von allen geteilt werden. Gerade Unternehmenslenker haben Zweifel, daß sie sich ausgerechnet in Deutschland erfüllen können. Eine digitale Infrastruktur, die sich mit Polen, Albanien oder Lesotho messen kann, werden wir in diesem Jahrhundert nicht mehr sehen. Menschliche Arbeitskraft wird also noch lange auch dort benötigt werden, wo entwickelte Industriegesellschaften längst auf sie verzichten dürfen. Daher könnte es vernünftig sein, weiterhin in junge Menschen zu investieren. Investieren ist jedoch stets mit Risiken verbunden, und von diesen gibt es bereits mehr als genug. Denn eine Alternative, und dies wird viel zu oft vergessen, gibt es immer: Wenn keiner da ist, der die Arbeit macht, bleibt sie eben liegen.