© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/19 / 18. Januar 2019

Jordan Bardella führt den ehemaligen Front National in den Europawahlkampf.
Le Pens Wunderkind
Friedrich-Thosten Müller

Mit der Wahl Jordan Bardellas hat das Exekutivkomitee des Rassemblement National für eine Überraschung gesorgt: Der 23jährige Geographiestudent aus der Pariser Banlieue soll die Partei in die Europawahl am 26. Mai führen, und mit ihm setzt der ehemalige Front National bewußt auf einen radikalen Generationswechsel. Den erklärte Louis Aliot, Vizeparteichef und Lebensgefährte von Marine Le Pen, im Fernsehen damit, gegenüber „der Jugend ein Zeichen der Hoffnung zu setzen und zu zeigen, daß wir auch jungen Leuten aus kleinen Verhältnissen eine Chance geben“. 

Was sich so fast wie ein politisches Almosen oder ein kalkuliertes Risiko anhört, ist tatsächlich eher eine Chance für den Rassemblement National. Denn Bardellas Vorstellungsrede auf dem Parteikonvent am Sonntag in Paris war frei und souverän vorgetragen und von Toben im Saal begleitet. Nicht nur, daß der frühere Einserschüler mühelos die Klaviatur der Rhetorik beherrscht, er wirkt auch reif und zu seinem Vorteil deutlich älter als er ist.

Sein eigentlicher Trumpf dürfte aber sein, daß er dem Rassemblement Zugang zu Wählern in den migrantisch geprägten Sozialwohnungsvierteln verschaffen könnte, wo die Partei traditionell schwach abschneidet. „Ich bin im Departement 93 aufgewachsen und damit an dem Ort, wo sich alle Probleme unseres Landes konzentrieren“, warb er für sich auf dem Konvent. So wagt ihm keiner zu widersprechen, wenn er für sich in Anspruch nimmt, aus „einer Generation zu kommen, in der dich eine verweigerte Zigarette oder ein falscher Blick das Leben kosten können“. Und wenn er, als Kind italienischer Einwanderer und in einer Sozialwohnung in Saint-Denis großgeworden, mit scharfen Worten die fehlgeleitete französische Migrationspolitik angreift, hat das Glaubwürdigkeit – und das kommt bei der Basis sehr gut an. 

Ein weiterer Vorteil Bardellas ist, daß er, obgleich bisher Parteisprecher und Chef der RN-Jugendorganisation „Génération Nation“, zu den wenigen Spitzenleuten des Rassemblement mit sauberer Weste und ohne laufendes Gerichtsverfahren gehört. Sowie, aus Sicht der Parteiführung, daß er sich dennoch – und schon seit sieben Jahren Parteimitglied – bisher als absolut loyal gezeigt hat. „Ich stehe nur Marine Le Pen nahe“, gibt er freimütig zu und nimmt dafür auch in Kauf, als deren „Marionette“ bezeichnet zu werden.

Die beim Kampf um das Amt des Staatspräsidenten 2017 glücklos gebliebene Parteichefin übrigens wird bei der Europawahl nur symbolisch auf einem hinteren und damit aussichtslosen Listenplatz kandidieren, um nicht etwa ihr wichtiges Mandat in der Nationalversammlung aufgeben zu müssen.

Bardellas Ziel ist es, im Europaparlament eine Sperrminorität europäischer Patrioten gegen „die Globalisten“ zu zimmern. Über die dafür nötigen guten Kontakte, etwa zu Italiens Vizepremier Matteo Salvini, verfügt er bereits.