© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/19 / 18. Januar 2019

Ländersache: Sachsen
Kurzen Prozeß machen
Paul Leonhard

Die Strafe muß der Straftat auf dem Fuße folgen. Diese alte Volksweisheit umzusetzen, fordert die AfD in Sachsen schon lange. Mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen hat sich auch die schwarz-rote Regierung eines Besseren belehren lassen: In einer Rundverfügung forderte die Generalstaatsanwaltschaft die Richter zu einer schnelleren und konsequenteren Strafverfolgung auf. Sie sollten häufiger – bei den Amtsgerichten liegen 36.000 unerledigte Strafverfahren – das sogenannte „beschleunigte Verfahren“ anwenden. 

Dies ist möglich, wenn ein einfacher Sachverhalt oder eine klare Beweislage vorliegt, der Täter kein Jugendlicher ist und der Strafrahmen nicht über einem Jahr Freiheitsstrafe liegt. Zwischen Tat und Urteil dürfen zudem höchstens sechs Wochen liegen. Bisher waren Sachsens Polizisten frustriert, weil es durchaus keine Ausnahme war, wenn sie ein und denselben Täter an einem Tag mehrfach auf frischer Tat ertappten und nach Aufnahme der Personalien wieder laufenlassen mußten. Abschreckung sieht anders aus. Insbesondere unter ausländischen Kleinkriminellen sprach sich schnell herum, wie zahnlos der deutsche Rechtsstaat ist. 

„Sowohl der Täter als auch potentielle Straftäter müssen spüren, daß Straftaten schnell und konsequent verfolgt werden“, fordert nun Justizminister Sebastian Gemkow (CDU). Zwanzig Jahre, viel Druck von der AfD und mit Hans Strobl einen neuen Generalstaatsanwalt hat die Sachsen-Union benötigt, um den vom Gesetzgeber 1998 eingeführten „kurzen Prozeß“ für sich zu entdecken. „Die Durchführung beschleunigter Verfahren ermöglicht eine schnelle, effektive Verfolgung und Ahndung von Straftaten und ist daher besonders geeignet, die Täter von der Begehung weiterer Delikte abzuhalten“, sagt Strobl, der nach Übernahme seines Amtes sogleich kritisiert hatte, daß es zuwenig beschleunigte Verfahren gibt. Vor Strobl galten diese in Sachsen als zu teuer und wenig handhabbar. 

„Sie brauchen einen Staatsanwalt, der die Zeit hat und nicht gerade mit Haftsachen beschäftigt ist, um dieses beschleunigte Verfahren sofort zu Gericht zu bringen“, so der Generalstaatsanwalt gegenüber dem MDR. „Und bei Gericht ist es so, daß im Idealfall der Ermittlungsrichter zuständig sein sollte, weil er es am besten einbauen kann in seinen täglichen Ablauf.“ Die aktuellen Strukturen in der sächsischen Justiz würden nicht zu den Schnellverfahren passen. Gerichte müßten Zuständigkeiten neu festlegen und umstrukturieren.

Während der CDU-Regierung vor allem eine schnelle Ahndung von Schwarzfahren, Drogendelikten, fremdenfeindlichen Taten oder Angriffen auf Beamte und Journalisten vorschwebt, hofft die Bevölkerung auf eine rasche Verurteilung von Dieben und Einbrechern. Von einem guten Mittel gegen Alltagskriminalität spricht auch der Landesvorsitzende des Sächsischen Richtervereins (SRV), Reinhard Schade. Allerdings dürfe dabei nicht die  Verfolgung organisierter Kriminalität in den Hintergrund treten. Cyberkriminelle, Schlepperbanden und Mafia-Clans seien eine viel größere Bedrohung für den Rechtsstaat. 

Mehr als 120 Personen sind in Sachsen bis Ende 2018 in beschleunigten Verfahren verurteilt worden. Damit liegt der Freistaat mit aktuell 0,03 Prozent weit unter dem Bundesdurchschnitt, wo durchschnittlich zwei Prozent aller Verfahren beschleunigt behandelt werden.