© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 04/19 / 18. Januar 2019

Unter Verdacht
AfD: Der Verfassungsschutz erklärt die Partei zum Prüffall /Bundestagsfraktion beklagt linksextreme Gewaltakte
Jörg Kürschner

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) entspricht der Erwartung der Mehrheit des Bundestages und stuft die AfD als Prüffall für rechtsextreme Bestrebungen ein. Die Parteinachwuchsorganisation „Junge Alternative“ (JA) sowie die Vereinigung „Der Flügel“ um den thüringischen AfD-Chef Björn Höcke werden als Verdachtsfall gewertet. Bei Verdachtsfällen sei der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel wie V-Leuten oder Abhörmaßnahmen möglich, wenngleich nur sehr eingeschränkt, betonte Behördenchef Thomas Haldenwang am Dienstag. Bei Prüffällen sei dies nicht zulässig.

Laut dem BfV-Chef habe die Auswertung von rund 1.070 Seiten an öffentlich zugänglichen Quellen „tatsächliche Anhaltspunkte“ dafür ergeben, daß die Politik der Gesamtpartei AfD sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richte. Grund dafür seien etwa „flüchtlings- und muslimfeindliche Äußerungen“. Die Erkenntnisse seien aber (noch) nicht ausreichend für eine nachrichtendienstliche Beobachtung.

Parteichef Alexander Gauland sprach anschließend von einer falschen Entscheidung mit nicht tragfähigen Argumenten, gegen die man juristisch vorgehen werde. Das gesellschaftliche Klima und politischer Druck hätten zu der Einstufung als Prüffall geführt. AfD-Fraktionschefin Alice Weidel stellte einen Zusammenhang mit dem Abgang des früheren BfV-Präsidenten Hans-Georg Maaßen her. „Es wird nun offensichtlich, warum Verfassungsschutz-Präsident Maaßen den Hut nehmen mußte: um den Weg frei zu machen, damit die AfD zum Prüffall erklärt werden kann.“ Bundessprecher Jörg Meuthen zeigte sich derweil unbeeindruckt: „Mögen sie prüfen, am Ende wird nichts dabei herauskommen.“

AfD beklagt fehlende Distanzierung von Antifa

Kurz vor der Entscheidung des Verfassungsschutzes hatte die AfD-Bundestagsfraktion unter Hinweis auf zahlreiche Gewaltakte gegen AfD-Politiker und Parteibüros von der Regierung ein verstärktes Vorgehen gegen den Linksextremismus gefordert. Demnach wiesen die Statistiken des Bundeskriminalamts seit Jahren eine deutlich höhere Zahl von links- als von rechts motivierten Gewalttaten aus. Einen Zusammenhang zwischen dem Fraktionsantrag und der nicht völlig überraschenden Entscheidung des BfV bestritt der AfD-Abgeordnete Martin Hess auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT vehement. Vermutungen, die AfD wolle mit ihrem Antrag zum Linksextremismus die Entscheidung des Verfassungsschutzes „flankieren“, seien nicht stimmig. „Diese Intention hat zu keinem Zeitpunkt bestanden.“ 

Der neue BfV-Chef Thomas Haldenwang hatte im Dezember eine Personalaufstockung gegen Rechtsextremismus um 50 Prozent angekündigt. „Eine Erosion des Rechtsstaates kann nicht durch eine einseitig verstärkte Fokussierung auf Rechtsextremismus verhindert werden“, heißt es dazu im AfD-Antrag, den Hess federführend erarbeitet hat. 

Erwartungsgemäß beklagt die AfD die zunehmende Gewalt gegen ihre Mandatsträger, zuletzt gegen den Bremer Bundestagsabgeordneten Frank Magnitz, der Anfang vergangener Woche von Unbekannten brutal zusammengeschlagen worden war. Der Anschlag auf das Wahlkreisbüro im sächsischen Döbeln zu Jahresbeginn sei eine „weitere Eskalationsstufe“.

Nach Angaben von Hess wurden 2017 insgesamt 1.967 links- und 1.130 rechtsmotivierte Straftaten registriert. Für das vergangene Jahr liegen noch keine amtlichen Zahlen vor. Parallel dazu sei laut Verfassungsschutzbericht 2017 die Zahl linksradikaler Straftäter gestiegen. 29.500 Personen und damit vier Prozent mehr gegenüber dem Vorjahr seien vom Verfassungsschutz dem Linksextremismus zugeordnet worden, 31 Prozent würden als „gewaltorientiert“ eingestuft. 

Die AfD-Bundestagsfraktion dringt deshalb auf eine vertiefte Prüfung von Vereinsverboten und nennt insbesondere die „Nachfolgeplattformen der verbotenen Plattform ‘linksunten.indymedia.org’ wie ‘de.indymedia.org’ sowie die sogenannte ‘Interventionistische Linke’ (IL). Außerdem solle eine mit Sicherheitsexperten und Linksextremismusforschern besetzte Kommission Strategien entwickeln, wie „einer zunehmenden Salonfähigkeit von Linksextremismus entgegengewirkt werden kann“. Des weiteren hält die AfD eine „kritische Prüfung“ der vom Bund geförderten Programme und Organisationen, „die mittelbar Linksextremismus fördern“, für nötig. Die „Salonfähigkeit“ von Linksextremisten erklärte Hess im JF-Gespräch mit einer fehlenden Distanzierung von Politikern der SPD, Grünen und Linken gegenüber der Antifa. So hätten deren Fraktionen Parlamentspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) keinen Beifall gespendet, als dieser sich im Bundestag gegen Links- und Rechtsextremismus ausgesprochen hatte.

Einen Schwerpunkt legt der Antrag auf die Berufsgruppe der Polizisten, die immer stärker von linksextremistischen Gewalttaten betroffen würden. Zitiert werden unter anderem Indymedia-Botschaften, in denen offen zu Gewalt gegen Polizisten aufgerufen wird: „Die durch die Stadt streifenden Schweine sind für uns nichts weiter als verachtenswerte Subjekte, denen wir, solange wir die Mittel und Selbstbestimmtheit dazu haben, ihre Streifenfahrt zur Gefahr werden lassen.“ 

Zudem gingen Linksextremisten verstärkt dazu über, Polizisten zu fotografieren und deren Bilder ins Internet zu stellen. „Wir freuen uns über Hinweise, wo sie wohnen oder privat anzutreffen sind“, zitiert der Antrag einen weiteren Aufruf.